Wissensdatenbank Wirtschaftsrecht

aktuelles Dokument: EURechtRechtsquellen
image4
image3
image2
image1
 Alle Kategorien:
  Forschungsdatenbank
  Lehrveranstaltungen
  Lexikon
  Literatur
  Rechtsgebiete
  Baurecht
  Gesellschaftsrecht
  Gewerberecht
  Informationsrecht
  Internationales Recht
  Konfliktmanagement
  Oe R
  Sozialrecht
  Strafrecht
  Unternehmens R
  Urheberrecht
  Vergaberecht
  Wettbewerbsrecht
  Rechtsprechung
  Service
  Studium F H S
  Wissensmanagement
ich war hier: EURechtRechtsquellen

Rechtsquellen der Europäischen Union

weitere Informationen

A. Einleitung - Rechtsnatur der Europäischen Union

Im Rahmen des Unionsrechts ist mit Blick auf die Sonderstellung der GASP weiterhin zwischen dem intergouvernementalem und den nunmehr supranationalem Recht zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird durch folgende Grafik verdeutlicht:

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EURechtRechtsquellen/Unionsrecht3.png)

Im Folgenden soll näher auf das supranationale Unionsrecht eingegangen werden. Anfangs stellt sich hier die Frage nach der Rechtsnatur, diese ist sehr umstritten.
Einigkeit besteht allerdings darüber, dass das Unionsrecht sich aus dem Völkerrecht, insb. aus den völkerrechtlichen Rechtsquellen (Vertragsrecht) entwickelt hat. 


1. Europarecht gleich Völkerrecht ?

Innerhalb dieser Auseinandersetzung haben sich zwei Ansichten herausgebildet. Nach der Ansicht der sog. Traditionalisten hat das heutige Unionsrecht seine Eigenschaft als Völkerrecht bewahrt. Diese Eigenschaft ist insbesondere im Hinblick auf das völkervertragsrechtliche geschaffene und geänderte Primärrecht aber auch auf dieser Grundlage von den Organen der Union erlassene Sekundärrecht anzunehmen.
Demgegenüber wird von den sog. Autonomnisten die Ansicht vertreten, dass sich das supranationale Unionsrecht von seinen Wurzeln gelöst habe und eine eigenständige Rechtsordnung gebildet hat. Weiterhin wird innerhalb dieser Auffassung vertreten, dass diese Union auch einen Vertrags- und Verfassungscharakter aufweist.
Allerdings erlangt diese Frage nur im Zusammenhang mit den besonderen Eigenschaften der Europäischen Union an Bedeutung. Dies ist insb. bei folgenden Eigenschaften der Fall :
  • seiner Direktwirkung
  • der Vorrang vor dem nationalen Recht
  • und beim Erlass von verbindlichen Beschlüssen, die gegen den Willen der Mitgliedsstaaten gefasst werden.
Mit dem letzten Punkt wird der Unterschied zum Völkerrecht deutlich, weil im Völkerrecht der souveräne Staat im Mittelpunkt steht und keine völkerrechtlichen Bindungen, gegen den Willen des Staates, begründet werden können.
Vor diesem Hintergrund ist doch aufgrund der besonderen Eigenschaften anzuerkennen, dass es sich bei der Europäischen Union um eine eigenständige Rechtsordnung handelt. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass die Rechtsordnung auch die Letztentscheidung über deren Art und Umfang der EU selbst und insb. dem EuGH als dem recht sprechenden Organ zuweist.
Eine Betrachtung des Unionsrecht als Völkerrecht führt dazu, die genannten Eigenschaften aus dem Völkerrecht heraus zu erklären und diese im Zweifel als Fortentwicklung der Rechtsmaterie zu begreifen sind.
Schließlich kommt es nur darauf an, dass das völkerrechtliche Verständnis die übergeordnete Rolle der Mitgliedsstaaten hervorhebt und ihnen die Kompetenz zur zuletzt verbindlichen Anerkennung der Wesensmerkmale der Unionsrechtsordnung überträgt.
Diese Auseinandersetzung hat auch praktische Relevanz, weil zwischenzeitlich die Durchgriffswirkung und der Anwendungsvorrang dem Grunde nach anerkannt wurden. Allerdings besteht diese praktische Relevanz nur, wenn die Wirkungsweise und deren Reichweite bezweifelt wird.

2. Anwendungsvorrang des Unionsrechts

Neben der Eigenständigkeit der Rechtsordnung geht der EuGH von einem totalen Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht aus. Dies wird allerdings durch das BVerfG nicht so gesehen. Zwar hat dieses den Anwendungsvorrang anerkannt, begründet diesen allerdings aus der Verfassung, mit den Worten: "Vorrang kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung,"und den Zustimmungsgesetzen aus den EU-Verträgen. Allerdings führt diese Herleitung dazu, dass dem Anwendungsvorrang nachprüfbare Grenzen auferlegt werden.
Diese Herleitung steht jedoch im Widerspruch mit der Auffassung des EuGH, wonach es den Mitgliedsstaaten nicht möglich sein soll, nachträgliche einseitige Maßnahmen ins Feld zu führen.


B. primäres supranationales Unionsrecht

Die europäische supranationale Rechtsordnung unterschiedet zwischen dem Primärrecht und dem Sekundärrecht. Das vertragliche Primärrecht wird von den Mitgliedsstaaten geschaffen aber auch durch autonome Handlungen der Organe. Beim Sekundärrecht hingegen handelt es sich um solches Recht, welches auf der Grundlage des primären Rechts durch die Organe erlassen wird. Dieses wird auch organschaffenes- oder abgeleitetes Recht genannt. Diese Einteilung hat allerdings auch in der Praxis dahin gehend eine enorme Bedeutung, weil das Primärrecht in der unioinsrechtlichen Normenpyramide über dem Sekundärrecht steht und den Maßstab sowohl für die Rechtmäßigkeit aber auch für die Auslegung des Sekundärrechts bildet.

Das Primärrecht ergibt sich aus verschiedenen Rechtsquellen. Welche dies genau sind, zeigt die folgende Übersicht:

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EURechtRechtsquellen/RechtsquellendesPrimaerrechts.png)

1. Rangverhältnisse im Primärrecht

Durch Art. 6 der Grundrechtscharta wird klargestellt, dass die Charta der Grundrechte mit den primärrechtlichen Verträgen gleichrangig ist. Mit dieser Klarstellung wurde der primärrechtliche Rang der Charta ausdrücklich bestätigt. Diese Bestätigung hat zur Folge, dass alle Rechtssätze vom Primärrecht untereinander auf dem gleichen Rang stehen, hierbei kommt es auch auf die Rechtsquelle nicht an. Aufgrund der Gleichrangigkeit der primärrechtlichen Regelungen gelten die allg. Normenkollisionsregeln. Nach denen ist die speziellere Norm der allgemeineren Norm vorzuziehen (Lex specialis derogat legi generali) und zum anderem ist dem späteren Recht Vorrang gegenüber dem früheren Recht zu gewähren. (Lex posterior derogat legi priori)


2. unmittelbare Geltung vs. eingeschränkte unmittelbare Anwendbarkeit

Das supranationale Primärrecht der Union hat uneingeschränkt unmittelbare Geltung, jedoch nur eingeschränkte unmittelbare Anwendbarkeit. Im Folgenden stellt sich nun für die Praxis die Frage, unter welchen Voraussetzungen die unmittelbare Anwendbarkeit zu bejahen ist, genauer, wenn also einer Norm des primären- (oder sekundären) Unionsrecht Rechtsfolgen für den konkreten Einzelfall entnommen werden können.
Eine Antwort auf diese Frage steht im engen Zusammenhang mit der Rolle der natürlichen und juristischen Personen, die neben den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union, Rechtssubjekte der Unionsrechtsordnung sind. Es sind die Einzelnen, die bei der Durchsetzung und bei der Verwirklichung des Unionsrechts eine Rolle spielen.
Den Antrieb hierfür bildet weniger die unmittelbare Anwendbarkeit als vielmehr die subjektiven Rechtspositionen des Unionsrechts, die vom Einzelnen gegenüber dem Verpflichteten geltend gemacht werden können. (Bsp. Grundfreiheiten)

Allerdings unterliegen diese Einzelrechte einigen Voraussetzungen und dürfen nicht mit den Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit gleichgestellt werden. 
Folgende Voraussetzungen müssen für eine unmittelbare Anwendbarkeit vorliegen:

  • betreffende Bestimmung des Unionsrechts muss eine hinreichende genaue und unbedingte Verpflichtung oder Berechtigung enthalten.

Allerdings wendet der EuGH diese Einschränkungen bei Bestimmungen des Primärrechts nicht streng an.

Für die Bezeichnung der unmittelbaren Anwendbarkeit wird auch oft die Bezeichnung der unmittelbaren Wirkung verwendet. Jedoch tritt diese Bezeichnung eher im Zusammenhang mit Richtlinien auf. Hinter dieser Beschreibung verbirgt sich je nach Sichtweise eine zusätzliche Voraussetzung für die unmittelbare Anwendbarkeit oder eine Einschränkung dieser Normeigenschaft. Diese terminologischen Unklarheiten können ungeachtet bleiben, weil es im Kern immer um die Frage geht, in welcher personellen Konstellation einer rechtlichen Auseinandersetzung das supranationale Unionsrecht, Rechtswirkung entfaltet. Für diese Frage spielt die Rechtsquelle keine Rolle. Sondern es ist zunächst immer eine Frage der Regelungsverhältnisse der betreffenden Norm oder Rechteaktes des Unionsrechts. Unter Regelungsverhältnis wird jenes Verhältnis verstanden, welches Auskunft darüber gibt, gegenüber und zwischen welchen Rechtssubjekten der Unionsrechtsordnung unmittelbar anwendbares Unionsrecht beabsichtigt wird.


C. sekundäres supranationales Unionsrecht

Das sekundäre Unionsrecht erfasst jene Rechtsakte, welche durch die Organe der Union, unter Berücksichtigung des Prinizps der begrenzten Einzelermächtigung, erlassen wurden. Die Rechtsquellen sind der nachstehenden Übersicht zu entnehmen:

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EURechtRechtsquellen/RechtsquellendesSekundaerrechts.png)


1. Rangverhältnis im Sekundärrecht

Das gesamte Sekundärrecht steht unter dem Primärrecht. Daraus folgt dass für den Fall einer Kollision vom gleichrangigen Sekundärrecht eine Lösung nach der Lex specialis und der Lex posterior-Regel zu erarbeiten ist. Diese Problematik stellt sich aber nur in solchen Fällen, wenn die Rechtsakte (Verordnung oder Richtlinie) auf der gleichen Kompetenzbestimmung beruhen und diese von den gleichen Organen erlassen wurden.
Demgegenüber ist anerkannt, dass ein Rangverhältnis für das abgeleitete Unionsrecht bei sog. Basisrechtsakten besteht. Diese führen zum Erlass von Rechtsakten ohne Gesetzgebungscharakter und werden auch als delegierte Rechtsakte bezeichnet. Die delegierten Rechtsakte müssen sich im Rahmen des ermächtigenden Basisrechtsaktes befinden. 

2. Gesetzgebungsakt vs. Rechtsakt ohne Gesetzgebungscharakter

Im Folgenden soll nun genauer auf die unterschiedlichen Gesetzgebungsakte eingegangen werden.
Aufgrund von dem Vertrag von Lissabon ist nunmehr zwischen Gesetzgebungsakten und Rechtsakten ohne Gesetzgebungscharakter zu unterscheiden. Der Charakter wird durch die Entstehung des Rechtsaktes festgelegt, sodass man von einem Gesetzgebungsakt dann sprechen kann, wenn dieser in einem ordentlichen oder besonderen Verfahren zustande gekommen ist. Art. 289 Abs. 3 AEUV∞. Diese Definition ist nur formaler Natur, auch wenn dem Gesetzgebungsakt unter Umstände materielle Punkte von dem delegierten Recht zukommen. Demgegenüber spricht man von einem Rechtsakt ohne Gesetzgebungscharakter dann, wenn dieser nicht nach einem Gesetzgebungsverfahren angenommen wurde. Aus diesen Erläuterungen folgt, dass der Erlass eines Gesetzgebungsakt immer die Beteiligung des europäischen Parlaments voraussetzt. Diese kann in 3 Formen vorliegen: 
  • durch Mitentscheidung (gilt für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren)
  • durch Anhörung
  • durch Zustimmung (gilt für das besondere Gesetzgebungsverfahren)

Entscheidend für die Abgrenzung zwischen dem Gesetzgebungsakt und dem Rechtsakt ohne Gesetzgebungscharakter ist es, ob in der entsprechenden Zuständigkeitsnorm ein Gesetzgebungsverfahren angeordnet wird oder nicht.
Allerdings dürfen Rechtsakte aus dem Sekundärrecht nur auf der Grundlage des primären Unionsrechts erlassen werden.

Bezüglich der Rechtsakte nach Art. 288 AEUV des ist anzumerken, dass diese nicht davon abhängig zu machen sind, in welchen Verfahren (Gesetzgebungs- oder sonstiges Rechtsetzungsverfahren) diese erlassen wurden, weil die schlichte Bezeichnung des Rechtsaktes keine Auskunft über den Charakter der Norm liefert.

3. Verordnungen

a. Allgemeines

Bei einer Verordnung handelt es sich um einen Rechtsakt, der in all seinen Teilen für die Mitgliedsstaaten verbindlich ist und allgemeine Geltung hat. Unter der allg. Geltung der Verordnung wird verstanden, dass diese wie ein innerstaatliches Gesetz, abstrakt-generelle Wirkung entfaltet. Diese wird mit der Anwendbarkeit der Verordnung begründet.

Grundsätzlich gelten Verordnungen für die gesamte Union. Doch kann sich die Verordnung auch auf einen Einzelfall beschränken. Für diese Beschränkung ist es aber erforderlich, dass sachliche Gründe vorliegen, weil sonst ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz angenommen werden kann.


b. Abgrenzung Verordnung und Richtlinie

Die Verordnung ist dahin gehend von der Richtlinie abzugrenzen, dass wie es schon Art. 288 Abs.2 AEUV festlegt, die Verordnung in all Ihren Teilen verbindlich ist. Diese Verbindlichkeit geht bei der Verordnung allerdings so weit, dass die Verordnung auch hinsichtlich der zu ergreifenden Mittel und Formen verbindlich ist. Dies ist jedoch bei einer Richtlinie nicht der Fall, denn bei dieser beschränkt sich die Verbindlichkeit lediglich auf das, durch die Richtlinie, vorgegebene Ziel. Die Art und Weise der Umsetzung wird bei einer Richtlinie den Mitgliedsstaaten überlassen. 
Diese Abgrenzung führt dazu, dass die Verordnung ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens von den Mitgliedssaaten und deren Gerichte, ohne eine entsprechende Umsetzung, anzuwenden ist. Allerdings kann es auch vorkommen, dass eine unmittelbar geltende Verordnung eine Ergänzung durch das nationale Recht braucht. Demzufolge ist die unmittelbare Geltung von der unmittelbaren Anwendbarkeit ebenfalls zu unterscheiden. Bei der unmittelbaren Anwendbarkeit ist jeder Einzelfall zu betrachten. Für eine unmittelbare Anwendbarkeit muss die Verordnung klare und unbedingte Verpflichtungen begründen und für diese Verpflichtungen ist keine weitere Maßnahme der Mitgliedsstaaten und der Organe der EU erforderlich.

4. Richtlinien

a. Allgemeines

Nach Art. 288 Abs.3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich ihres Ziels verbindlich. Für diesen Rechtsakt sieht das Unionsrecht ein zweistufiges Verfahren vor. Auf der ersten Stufe erlassen die Organe der Union mit der Richtlinie eine Rahmenregelung und auf der zweiten Stufe ergreifen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen. Bezüglich der Besonderheiten (Verbindlichkeit für die MS und unmittelbare Wirkung) einer Richtlinie kann auf die Wirkungsweise europäischer Institutionen verwiesen werden.

b. richtlinienkonforme Auslegung

Allgemeines

Im Nächsten soll nun näher auf die richtlinienkonforme Auslegung eingegangen werden. Nach diesem Gebot ist die innerstaatliche Judikative verpflichtet, ihr nationales Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie anzuwenden, um das vorgegeben Ziel zu erreichen. Hierbei genießt dieses Gebot aber auch Vorrang vor der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie, weil dieses Gebot das nationale Recht erhält und somit souvernitätsschonender ist als die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie, die dazu führt, dass entgegenstehendes nationales Recht unangewendet bleibt.

Abgrenzung richtlinienkonformer Auslegung und Anwendungsvorrang des Unionsrechts

Allerdings lässt sich dieses Gebot nicht, insoweit wie die Richtlinienbestimmung keine unmittelbare Wirkung entfaltet, auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts stützen. Anders verhält sich das bei der Pflicht der primärrechtlichen Auslegung. Bei dieser setzt der Anwendungsvorrang eine unmittelbare Anwendung voraus.

Umfang und Ausnahmen des Gebots

Der Umfang von diesem Gebot beschränkt sich nicht nur auf die umzusetzende Richtlinienbestimmung, sondern auch auf das autonome mitgliedsstaatliche Recht, also solches Recht, welches bereits vor der Richtlinie bestanden hat. 
Eine Ausnahme für dieses Gebot besteht allerdings dahin gehend, dass der nationale Gesetzgeber keine richtlinienkonforme Auslegung vorzunehmen hat, wenn dieser bei der Umsetzung über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht. Demzufolge kann es vorkommen, dass eine nationale Norm, die eine Richtlinie umsetzt, unterschiedlich auszulegen ist. Eine Auslegung ist dann auf zwei Wegen möglich:

  • richtlinienkonform, wenn die Norm in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt
  • national autonom, wenn die Umsetzungsnorm über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgeht

Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung

Nach der Rechtsprechung des EuGH wird dieses Gebot von einem nationalen Spielraum abhängig gemacht. Dies ergibt sich aus folgenden Worten: " im Rahmen seiner Zuständigkeit, unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, dem ihm sein Recht einräumt, seine Auslegung so weit wie möglich an der Richtlinie auszurichten". Mit dieser Rechtsprechung akzeptiert der EuGH die innerstaatlichen Grenzen. Allerdings verlangt der EuGH von den Mitgliedsstaaten, dass diese alle Maßnahmen, nach ihrem Recht, ergreifen, um diesem Gebot nachzukommen. Für diese Maßnahmen haben die Mitgliedsstaaten dann auch die gleichen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen ,wie die bei der nationalen autonomen Auslegung. Dies wird auch als Grundsatz der methodischen Gleichbehandlung bezeichnet.
Eine weitere Grenze für dieses Gebot ergibt sich auch durch die allg. Rechtsgrundsätze der EU. Hier sind insb. zu nennen: 
  • Rechtssicherheit
  • Unionsgrundrechte
  • allg. Rückwirkungsverbot
  • Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


5. Beschlüsse

a. Allgemeines und Abgrenzung zur Verordnung

Diese sind in all ihren Teilen verbindlich, Art. 288 Abs.4 AEUV und besitzen unmittelbare Geltung. Adressaten dieser Rechtsakte können sowohl Individuen wie aber auch Mitgliedsstaaten sein. Diese ergeben sich aus dem Inhalt des individual- gerichteten Beschlusses, dadurch, dass diese klar benannt werden oder der Beschluss hinreichend individualsierbar ist, sodass die Zahl der Adressaten oder die Personen im Zeitpunkt des Erlasses feststellbar sind.
Die individuelle Geltung des Beschlusses unterscheidet sich von der Verordnung dahin gehend, dass diese an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet ist. 

b. Rechtsakte, die als Beschlüsse zu bezeichnen sind

Aufgrund vom Vertrag von Lissabon wurde der Begriff des Beschlusses enorm erweitert. Zu diesem gehören nunmehr auch Rechtsakte eigener Art.
Zudem ergibt sich aus Art. 288 Abs. 4 AEUV, dass ein Beschluss nicht immer an einen bestimmten Adressaten gerichtet sein muss. Demzufolge werden nicht nur individual- gerichtete oder staaten- gerichtete Beschlüsse von dem Begriff erfasst, sondern es wird auch die alte Rechtsform,(Entscheidung) in diesen Kreis mit einbezogen. Aber auch alle Rechtsakte, die über den Katalog des Art. 288 AEUV hinausgehen sind nunmehr unter diesem Begriff erfasst. Es besteht aber auch die Möglichkeit der sog. interorgan- oder interinstitutionelle Vereinbarung. Nach dieser haben die Organe die Möglichkeit, ihre innere Struktur durch Satzungen, Verordnungen oder Geschäftsordnung zu regeln. Dieser Rechtsakt ist auch als Beschluss zu definieren.


c. Wirkung eines Beschlusses

Anfangs ist für die Feststellung der Wirkung eine Interpretation der jeweiligen Bestimmung erforderlich. So werden im Rahmen der GASP die Bezeichnungen (Entscheidungen, Leitlinien) beibehalten. Jedoch werden diese Rechtsakte nunmehr durchgängig als Beschlüsse bezeichnet. 

Eine andere Wirkung des Beschlusses ist darin zu sehen, dass bestimmte Rechtshandlungen, durch die punktuelle Vertragsänderungen vorgenommen werden können. Dies wird auch als autonome Vertragsänderung bezeichnet. 


Als Rechtshandlungen sind folgende zu nennen:

  • Rat kann die Anzahl der Generalanwälte beim EuGH erhöhen
  • es handelt sich um Handlungen, bei der Aufstellung von Programmen
  • bloße Mitteilung der Organe
  • Handlungen zur Regelungen der Beziehung mit Drittstaaten und internationale Organisationen

Beim individual- gerichteten sowie aber auch beim staaten- gerichteten Beschluss erschöpft sich das Regelungsverhältnis aus der Relation Adressaten-EU.
Es stellt sich nunmehr, wie bei der Richtlinie, die Frage nach dem Wirkungsverhältnis dieses Rechtsaktes. Bei diesem Rechtsakt, insb. beim staaten- gerichteten Beschluss sind zwei Wirkungsverhältnisse denkbar:

1. vertikale Wirkung staaten-gerichteter Beschlüsse

Grundsätzlich wird diese Wirkung von dem EuGH bejaht. Diese erfordert allerdings, dass der Inhalt von dem Beschluss die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung erfüllt. 


2. horizontale Wirkung staaten-gerichteter Beschlüsse

Diese Wirkung wird, wie bei der Richtlinie, vom EuGH nicht angenommen. Diese Ablehnung wird damit begründet, dass aufgrund der mangelnden Adressierung an Private, sich für dieses Rechtsverhältnis keine direkten Verpflichtungen herleiten lassen, sodass eine Berufung auf einen Beschluss in einem Rechtsstreit zwischen zwei Privaten ausgeschlossen ist.
Ob diese Einschränkung der horizontalen Wirkung auch für individual- gerichtete Beschlüsse angenommen werden kann, ist noch nicht entschieden.


dazu: Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht S. 157 - 198

CategoryEuroparecht

Diese Seite wurde noch nicht kommentiert.
Valid XHTML   |   Valid CSS:   |   Powered by WikkaWiki