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Urheberrecht


Fall 21 - Versteigerung


Der in München ansässige findige Kunstsammler C ist ein leidenschaftlicher Fan des weltweit anerkannten deutschen Fotografen B. Er wendet sein gesamtes Vermögen auf, um auch wirklich jedes Werk seines Idols aus einer bestimmten Schaffensperiode sein eigen nennen zu können. C kauft allein limitierte, nummerierte und signierte Abzüge. Aufgrund seines kostspieligen Hobbys wächst sein Schuldenberg immer weiter, bis C sich schließlich schweren Herzens gezwungen sieht, einige der wertvollsten Fotografien des B aus seiner Sammlung zu veräußern. Ein guter Bekannter steckt dem C, dass es doch viel günstiger sei, die Kunstwerke im Ausland versteigern zu lassen. Dort greife nämlich der wohl schrecklichste Auswuchs des deutschen Urheberrechts, das Folgerecht, nicht. C bedankt sich für den Tipp und beginnt sich nach einem geeigneten Auktionshaus umzuhören. Schnell kommt er mit der deutschen Tochtergesellschaft des international operierenden Auktionshauses Christie, Manson & Woods ltd. aus London in Kontakt. Nach zähen Verhandlungen, zu denen sogar eine Mitarbeiterin aus dem Mutterunternehmen zum C nach München entsandt wurde, wird man sich einig, die Versteigerung in London abzuwickeln. Die Fotografien werden von dem Bieter K, einem deutschen Staatsbürger, ersteigert. Der Versteigerungserlös beträgt 100.000 €. Als B von der Versteigerung und den Umständen hört, freut er sich sehr. Schließlich hätten die Verhandlungen zwischen Christie’s mit C in Deutschland stattgefunden, so dass auch deutsches Recht anwendbar sei. Dafür spräche weiterhin, dass es sich sowohl bei B als auch bei dem Veräußerer C und dem Käufer K um deutsche Staatsbürger handele. B stünden daher gem. § 26 UrhG 5 % des Erlöses, mit anderen Worten 5.000 € zu. C ist wenig einsichtig und verweist auf die Unanwendbarkeit deutschen Rechts.

Zu Recht?

Abwandlung: Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Versteigerung in Deutschland stattgefunden hätte?



Lösung


A. Ausgangsfall

B könnte gegen C gem. § 26 UrhG einen Anspruch auf 5.000 € haben. Die Anwendbarkeit des deutschen Folgerechts gem. § 26 UrhG setzt voraus, dass das Folgerecht des Urhebers auch bei einer Versteigerung in London gegolten hat. Zu untersuchen ist daher zunächst, welche Rechtsordnung für das Folgerecht berufen ist, weil das britische Recht kein Folgerecht kennt. Bevor dabei nach einer einschlägigen Kollisionsnorm gesucht wird, muss eine Qualifizierung vorgenommen werden, indem die Rechtsfrage eingeordnet wird.

I. Nach der h. M. wird nach der lex fori qualifiziert, weil das deutsche IPR von Begriffen des deutschen materiellen Rechts ausgeht. Fraglich ist also, wie das deutsche Folgerecht einzuordnen ist.

1. Nach überwiegender Ansicht wird das Folgerecht als ein urheberrechtlicher Anspruch eigener Art angesehen. Dieser Meinung zur Folge teilt das Folgerecht das Schicksal des Urheberrechts.

2. Nach anderer Ansicht ist das Folgerecht als bereicherungsrechtlicher oder als persönlichkeitsrechtlicher Anspruch zu qualifizieren. Das Folgerecht kann jedoch kein bereicherungsrechtlicher Anspruch sein, weil dieses sich allenfalls als Folge der Verletzung ergeben kann. Ebenso ist hierin kein persönlichkeitsrechtlicher Anspruch zu sehen, da das Folgerecht allein eine wirtschaftliche Stärkung des Künstlers vorsieht. Dieser Meinung ist daher nicht zu folgen.

3. Zu denken wäre aber an eine sachenrechtliche Einordnung unter dem Gesichtspunkt des „geistigen Eigentums“. Hiergegen spricht jedoch, dass etwas Geistiges nicht eine Sache sein kann.

4. Es ist daher der ersten Meinung zu folgen. Das Folgerecht ist damit zum Urheberrecht zu zählen und richtet sich nach dem Urheberrechtsstatut.

II. Zu prüfen ist nunmehr, welche Kollisionsnormen in Betracht kommen. Hier könnten die Kollisionsnormen dem Gewohnheitsrecht zu entnehmen sein. Nach h.M. ist das Schutzlandprinzip als Kollisionsregel für das Folgerecht heranzuziehen. Diesem Prinzip entsprechend wird auf die Rechtsordnung desjenigen Landes verwiesen, für dessen Gebiet der Folgerechtsberechtigte Schutz seines Rechts beansprucht. Insoweit wird die lex loci delicti comissi für maßgebend erachtet. Hierbei handelt es sich um eine Gesamtverweisung, so dass Rück- und Weiterverweisungen zu befolgen sind.
Weil das britische Recht das Folgerecht nicht kennt, müsste Deutschland Schutzland sein, damit das Folgerecht in § 26 Abs. 1 UrhG zur Anwendung kommt. Denn das Territorialitätsprinzip besagt, dass das deutsche Folgerecht nur auf deutschem Territorium verletzt werden kann. Es ist also erforderlich, auf die Verletzungshandlung abzustellen. Diese ist bei § 26 Abs. 1 UrhG in der Weiterveräußerung des Werkoriginals zu sehen.

1. Nach einer Auffassung meint Veräußerung i.S.d. § 26 UrhG allein das dingliche Verfügungsgeschäft. Folgte man dieser Auffassung, fände Art. 43 Abs. 1 EGBGB Anwendung. Danach entscheidet über den rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang die lex rei sitae. Da im englischen Recht eine Übereignung auch ohne Übergabe zulässig ist, findet die Übereignung mit der Absendung der Fotografien, also im Absendeland England statt. Deutsches Recht wäre danach nicht anzuwenden.

2. Nach anderer Auffassung soll „Veräußerung“ i.S.d. § 26 UrhG schuld- und sachenrechtliche Elemente erfassen. Der Vergütungsanspruch entspringe nämlich nicht der dinglichen Veräußerung, sondern dem Schuldvertrag, aus dem sich die Zahlungspflicht ergebe.
Fraglich ist demnach, nach welchem Recht der zwischen C und dem K zustande gekommene Vertrag zu beurteilen ist. Es ist hierfür auf das am Sitz des Versteigerers geltende Recht abzustellen. Der Versteigerer tritt als Stellvertreter des Veräußerers auf. Zwar entfaltet seine Erklärung Rechtswirkung für den Veräußerer, es handelt sich jedoch um eine eigene Willenserklärung des Versteigerers, mit der der Zuschlag erteilt wird. Die entscheidende Veräußerungshandlung findet somit am Sitz des Versteigerers statt. Die in Deutschland stattgefundenen Verhandlungen können nicht als Teil der Veräußerung angesehen werden. Es handelt sich um reine Vorbereitungshandlungen, denn bis zum Beginn der Auktion hätte der C die Fotografien ohne weiteres zurückfordern können. Der schuldrechtliche Vertrag zwischen C und K ist folglich nach englischem Recht zu beurteilen. Auch nach dieser Ansicht wäre § 26 UrhG nicht anzuwenden.

3. Beide Auffassung kommen zu demselben Ergebnis. Ein Streitentscheid kann dahinstehen.

III. § 26 UrhG ist in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar, so dass ein Anspruch des B gem. § 26 UrhG nicht besteht.


B. Abwandlung

Ob ein Anspruch gem. § 26 Abs. 1 UrhG gegeben ist, beurteilt sich danach, ob auch Fotografien von dieser Vorschrift erfasst sein sollen. § 26 UrhG bezieht sich allein auf Werke der bildenden Künste. Werke der Fotografie fallen somit nicht darunter. Denkbar wäre jedoch eine analoge Anwendung des § 26 auf Lichtbildwerke. Von einer planwidrigen Regelungslücke ist zumindest dann auszugehen, wenn von bestimmten künstlerischen Lichtbildwerken (nicht einfache oder von zeitgeschichtlicher Bedeutung) Abzüge bzw. Vergrößerungen nach Art von Originalen in limitierter Zahl hergestellt, nummeriert und signiert auf dem Kunstmarkt gehandelt werden. Diese neuere Entwicklung ist vom Gesetzgeber nicht beachtet worden. Der Schöpfer findet sich in diesem Fall in der gleichen Situation wie bildende Künstler, eine analoge Anwendung des § 26 ist folglich zu bejahen.
Eine Weiterveräußerung liegt genauso wie die übrigen Voraussetzungen des § 26 UrhG unproblematisch vor, so dass ein Anspruch gegeben ist.





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