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Urheberrecht


Fall 52 - Sao Paulo


Der wenig bekannte brasilianische Schriftsteller Luiz Nazario Costa schrieb 1940 das Buch „Sao Paulo“. Im gleichen Jahr verstarb der Autor. Ein deutscher Verleger möchte dieses literarische Kleinod im Original im Jahr 2004 in Deutschland veröffentlichen.

Um die Kosten dafür kalkulieren zu können, fragt er seinen Anwalt, ob den Erben ein Vergütungsanspruch für sein Vorhaben zusteht?

Anmerkung:
Es ist anzunehmen, dass die Schutzfrist für Sprachwerke in Brasilien 60 Jahre p.m.a. beträgt.



Lösung


Die Erben des Urheberrechts i.S.d. § 28 Abs. 1 UrhG könnten einen Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 S. 2 UrhG haben.
Dann müsste den Erben das Vervielfältigungsrecht bezüglich dieses Werkes zustehen. Fraglich ist, ob die Schutzfrist für dieses Werk bereits abgelaufen und es somit gemeinfrei ist.

A. Eine Behandlung nach deutschem Recht nach § 121 Abs. 1 UrhG kommt mangels Erscheinen in Deutschland nicht in Betracht.

B. Fraglich ist, welche Schutzfrist sich aus § 121 Abs. 4 UrhG i.V.m. den Staatsverträgen ergibt. Sowohl Deutschland als auch Brasilien sind Vertragsstaaten der RBÜ, des Welturheberrechtsabkommens und des TRIPS-Abkommens.

I. Sowohl nach Art 5 Abs. 1 RBÜ wie auch nach Art. 3 Abs. 1 TRIPS und Art. 9 Abs. 1 TRIPS i.V.m. Art. 5 Abs. 1 RBÜ gilt der Grundsatz der Inländerbehandlung. Demnach wäre ein brasilianischer Urheber so zu behandeln wie ein deutscher Urheber. Allerdings bestimmt Art. 7 Abs. 8 RBÜ, auf den auch in Art. 9 Abs. 1 TRIPS verwiesen wird, dass die Schutzdauer sich nach dem Land richtet, in dem Schutz beansprucht wird, jedoch nicht die Schutzdauer des Ursprungslandes überschreitet. In Deutschland erlischt das Urheberrecht gemäß § 64 UrhG 70 Jahre nach Tod des Urhebers. In Brasilien hingegen beträgt die Schutzfrist für Sprachwerke nur 60 Jahre p.m.a. Gemäß Art. 7 Abs. 8 RBÜ wäre diese anzuwenden. Somit wäre der Urheberrechtsschutz im Jahr 2000 erloschen.

II. Fraglich ist jedoch, ob das Prinzip der Meistbegünstigung aus Art. 4 TRIPS zu einem anderen Ergebnis bezüglich der Schutzfrist führt. Der Grundsatz der Meistbegünstigung besagt, dass ein TRIPS-Mitglied Vorteile, Vergünstigungen, Sonderrechte und Befreiungen, die es Angehörigen eines anderen Staates, unabhängig davon ob dieser ein TRIPS-Mitglied ist oder nicht, gewährt, Angehörigen aller TRIPS-Staaten gewähren muss. Einen solchen Vorteil könnte Art. 12 EG darstellen. Demnach ist jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit untersagt. Nach der Phil Collins-Entscheidung erstreckt sich dieses Diskriminierungsverbot auch auf Urheberrechte. Demnach wird Angehörigen aus EU- und EWR-Mitgliedsstaaten eine Schutzfrist von 70 Jahren p.m.a. gewährt. Dies ergibt sich nunmehr auch aus § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG. Würde der Meistbegünstigungsgrundsatz auch den Art. 12 EG erfassen, müsste somit ein Brasilianer wie ein EU-Ausländer behandelt werden, somit würde auch für ihn eine Schutzfrist von 70 Jahren gelten.
Allerdings könnte nach Art. 4 lit. d) TRIPS eine Ausnahme von dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu machen sein. Dann müsste es sich bei dem EG um eine Vereinbarung handeln, die a) vor dem Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens in Kraft getreten ist, b) dem Rat der TRIPS notifiziert worden ist und c) keine willkürliche und ungerechtfertigte Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten darstellt. Bezüglich des EG Vertrages lässt sich eine solche Ausnahme von dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. 4 lit. d) annehmen. Weiterhin wird gegen die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auf den EG vorgetragen, dass im Hinblick auf diesen Angehörige dieser Staaten in den nationalen Grenzen als Inländer und nicht als Angehörige eines anderen Landes gelten. Im Ergebnis führt somit die Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung zu keinem anderen Ergebnis bezüglich der Schutzfrist.

III. Aus § 121 Abs. 4 UrhG i.V.m. Art. 7 abs. 8 RBÜ ergibt sich somit eine Schutzfrist von 60 Jahren p.m.a. für brasilianische Urheber. Sie ist somit im Jahre 2000 abgelaufen. Das Werk ist somit gemeinfrei.

C. Die Erben haben somit keinen Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 S. 2 UrhG.





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