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Fallbeispiele Gesellschaftsrecht - Falllösung


Fall 5

Dem vermögenden T gehört unter anderem ein kleiner, nicht im Handelsregister eingetragener Kosmetikvertrieb. Nach seiner Wiederverheiratung mit der wesentlich jüngeren E im Juli 2003 nimmt er diese als Gesellschafterin in das Geschäft auf. Trotz der Tätigkeit der E, die den Einkauf des Unternehmens übernimmt, bleibt der Geschäftsumfang begrenzt. Nachdem S, der volljährige Sohn des T aus erster Ehe, als Erbe einer entfernten Großtante mütterlicherseits selbst ein kleines Vermögen erworben hat, möchte er im September 2003 selbst sich an dem Kosmetikhandel beteiligen. Im Gesellschaftsände-rungsvertrag, den T, S und E schriftlich schließen, verpflichtet sich S, von seiner Erb-schaft ein Grundstück, auf dem sich das Lager des Vertriebs befindet und das bereits an T verpachtet war, sowie einen Betrag von 20.000 € in die Gesellschaft einzubringen. Daneben wird die Ausweitung des Geschäfts um einen Vertrieb von Fitnessgeräten beschlossen sowie die Begleichung aller bisher im von T allein bzw. von T und E gemeinschaftlich betriebenen Kosmetikvertrieb entstandenen Schulden durch die Gesellschaft. Letzteres soll auch den Gläubigern mitgeteilt werden. Noch im September 2003 erklärt S notariell die Auflassung des im Grundbuch eingetragenen Grundstücks. Im Januar 2004 wird das Grundstück auf die aus T, S und E gebildete BGB-Gesellschaft umgeschrieben. Im Anschluss an den Eintritt von S nimmt der Geschäftsumfang erheblich zu; S kümmert sich dabei vornehmlich um den Aufbau des Vertriebs von Fitnessgeräten. Im Februar 2004 wird die zwischen T, S und E vereinbarte Gesellschaft als „T Kosmetik- und Fitnessgerätevertriebs OHG“ zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, ohne dass die Eintragung bisher erfolgt ist. Der Gläubiger G, der im Juni 2003 ein rechtskräftiges Urteil auf Zahlung von 5.000 € wegen einer bisher unbezahlten Kosmetika gegen T erwirkt hatte, und dem die Haftung der Gesellschaft für die früheren Verbindlichkeiten mitgeteilt wurde, möchte im April 2004 wissen,

1. ob er aus diesem Urteil die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft betreiben kann oder

2. ob er von der Gesellschaft Zahlung der noch ausstehenden 5.000 € verlangen kann sowie

3. ob er gegebenenfalls aus einem gegen die Gesellschaft erwirkten vollstreckbaren Titel in das Grundstück und in die Firma der Gesellschaft vollstrecken kann.



Formulierungsvorschlag Fall 5


1. Zwangsvollstreckung aus dem Urteil von G gegen den Einzelkaufmann T vom Juni 2003 in das Vermögen der Gesellschaft


1.1 Eine Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft ist für G aus einer nach §§ 724, 725 ZPO erteilten vollstreckbaren Ausfertigung des gegen den Einzelkaufmann T erwirkten Urteils nicht möglich, weil das Urteil weder gegen alle Gesellschafter (§ 736 ZPO) noch gegen die Gesellschaft (§ 124 II HGB) ergangen ist.

1.2 G kann sich eine vollstreckbare Ausfertigung des gegen T erwirkten Urteils nach § 727 ZPO gegen alle Gesellschafter bzw. gegen die Gesellschaft erteilen lassen, wenn diese Rechtsnachfolgerin von T ist.

1.2.1 Die Gesellschaft hat die Verbindlichkeit von T gegenüber G nicht nach §§ 414, 415 BGB befreiend übernommen, weil die Zustimmung von G nicht eingeholt wurde. Es kann daher dahinstehen, ob eine befreiende Schuld-übernahme für eine Rechtsnachfolge i.S.v. § 727 ZPO genügt.

1.2.2 Eine kumulative Schuld- bzw. Erfüllungsübernahme nach §§ 311 I, 415 III BGB stellen keine Rechtsnachfolge i.S.v. § 727 ZPO dar.

1.2.3 Die Gesellschaft ist nicht Rechtsnachfolgerin des T i.S.v. § 727 ZPO.

1.3 G kann sich eine vollstreckbare Ausfertigung des gegen T erwirkten Urteils nach § 729 ZPO gegen alle Gesellschafter bzw. gegen die Gesellschaft erteilen lassen, wenn die Gesellschaft das Handelsgewerbe nach § 25 HGB bzw. nach § 28 HGB fortgeführt hat.

1.3.1 Die Fortführung nach § 25 HGB setzt den tatsächlichen Erwerb des Handelsgeschäfts unter Lebenden voraus. Hier hat T sein Handelsgeschäft nicht auf die Gesellschaft mit E, der später S beigetreten ist, übertragen oder überlassen, sondern in diese eingebracht.

1.3.2 Die Fortführung nach § 28 HGB erfordert die Gründung einer Gesellschaft unter Einbringung des Handelsgeschäfts des Einzelkaufmanns. Umstritten ist, ob der bisherige Geschäftsinhaber bereits vor Gründung Kaufmann gewesen sein muss oder ob § 28 HGB bei jeder Gründung einer Personengesellschaft mit Einbringung eines Unternehmens unabhängig von der Kaufmannseigenschaft eingreift. Angesichts der inzwischen anerkannten eigenständigen Rechtsfähigkeit der GbR ist entgegen der früheren Ansicht des BGH eine Haftung der Gesellschaft auch möglich, wenn keine Handelsge-sellschaft eingebracht wird oder durch die Gründung entsteht, so dass eine zumindest entsprechende Anwendung des § 28 HGB möglich ist. Die Gesellschaft führt damit das Handelsgeschäft von T fort.

1.3.3 Aufgrund der Fortführung des Handelsgeschäfts des T durch die Gesell-schaft von T, E und S gem. § 28 HGB ist eine Rechtsnachfolge gegeben.

Ergebnis: G kann sich wegen der Fortführung des Handelsgeschäfts des T durch die Gesellschaft gem. § 28 HGB eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom Juni 2003 nach § 729 ZPO erteilen lassen und damit in das Vermögen der Gesellschaft vollstrecken.

2. Anspruch von G gegen die Gesellschaft auf Zahlung von 5.000 € gem. § 433 II BGB

2.1 G hat mit der Gesellschaft keinen Kaufvertrag gem. § 433 I BGB abgeschlossen.

2.2 G kann aber von der Gesellschaft Zahlung des Kaufpreises verlangen, wenn die Gesellschaft wirksam besteht und für die Verbindlichkeit von 5.000 € einzustehen hat.

2.2.1 Nach § 105 I HGB besteht eine Gesellschaft wirksam, wenn sie begründet worden ist und noch besteht.

2.2.1.1 Zwischen T und E ist eine Gesellschaft durch die Vereinbarung des Eintritts von E als Gesellschafterin in das Handelsgeschäft des T entstanden. Angesichts des nur begrenzten Geschäftsumfangs spricht mehr dafür, dass das Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 II HGB). Mangels Handelsregistereintragung ist das Unternehmen kein Kannkaufmann gem. § 2 Satz 1 HGB. Daher handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB.

2.2.1.2 Der Gesellschaftsänderungsvertrag bei Eintritt des S ist nicht nach §§ 2371, 125 BGB nichtig, weil S sich nur zur Einbringung einzelner Erbschaftsgegenstände und nicht der Erbschaft insgesamt verpflichtet hat. Die ursprüng-liche Formnichtigkeit des gesamten Vertrages wegen fehlender Beurkun-dung der Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an einem Grund-stück (§§ 311b I 1, 125 Satz 1, 139 BGB) ist durch die Eintragung gem. § 311b I 2 BGB geheilt.

2.2.1.3 Durch die Ausweitung des Umfangs des von der Gesellschaft betriebenen Handelsgewerbes nach dem Eintritt von S in die bestehende GbR zwischen T und E wurde diese gem. § 123 II HGB schon vor der Eintragung (§ 105 II HGB) zur OHG.

2.2.1.4 Die aus T, E und S gebildete OHG besteht noch.

2.2.2 Die OHG muss für Verbindlichkeiten des T aus dem Betrieb des Unternehmens gegenüber G einstehen, wenn sie das Handelsgewerbe von T nach § 25 I HGB oder § 28 HGB fortführt oder die Verbindlichkeit von T gegenüber G oder deren Erfüllung übernommen hat.

2.2.2.1 Während die OHG das Handelsgewerbe des T nicht gem. § 25 HGB fortführt, sind die Voraussetzungen des § 28 HGB zumindest bei der gebotenen entsprechenden Anwendung (s. 1.3.3) gegeben.

2.2.2.2 Eine befreiende oder kumulative Übernahme der Verbindlichkeiten des T gegenüber G durch die OHG gem. §§ 414, 415 BGB liegt mangels Zustimmung des G nicht vor. Allerdings hat sich die OHG gegenüber T verpflich-tet, dessen Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern des Handelsgewerbes zu übernehmen, und haftet daher wegen der Mitteilung dieser Verpflichtung gegenüber G, arg. e §§ 415 III, 329 BGB.

Ergebnis: Die OHG muss gem. § 28 HGB und wegen der Übernahme der Erfüllung von Verbindlichkeiten für die Verbindlichkeiten des T gegenüber G einstehen. G hat gegen die OHG einen Anspruch auf Zahlung von 5.000 € gem. § 433 I BGB.

3. Zwangsvollstreckung in das Grundstück und die Firma der Gesellschaft


3.1 G kann gem. § 866 ZPO in das Grundstück vollstrecken, wenn er einen vollstreckbaren Titel gegen die Gesellschaft erwirkt und zugestellt hat und wenn das Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört.


3.1.1 G kann aus seinem rechtskräftigen Urteil (§ 704 ZPO) gem. § 724 ZPO gegen die Gesellschaft einen erforderlichen (§ 124 II HGB) vollstreckbaren Titel erwirken und diesen nach § 750 ZPO zustellen.

3.1.2 Das für die GbR im Grundbuch eingetragene Grundstück ist durch die Umwandlung der Gesellschaft in eine OHG (§§ 105 I, 123 II HGB) Teil deren Gesellschaftsvermögen geworden.

3.1.3 G kann allerdings nur dann in das für die GbR eingetragene Grundstück vollstrecken, wenn durch öffentliche Urkunden die Identität der OHG mit der GbR nachgewiesen werden kann, um so die Bezeichnung des Grundstückseigentümers zu berichtigen (vgl. § 750 I, II ZPO).


3.2 Die Firma eines Handelsgeschäfts kann nach § 23 HGB ohne das Handelsgeschäft weder veräußert noch einem anderen überlassen werden. Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Firma eines Handelsgeschäfts überhaupt ein vollstreckungsfähiges Vermögensrecht (§ 857 HGB) ist.

Ergebnis: G kann gem. § 866 ZPO in das Grundstück vollstrecken, nicht aber in die Firma der Gesellschaft.





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