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Allgemeines Schadensrecht


Das in §§ 249 ff. BGB geregelte, allgemeine Schadensrecht findet grundsätzlich für alle Arten von Schadensersatzansprüchen Anwendung. Für den Prüfungsaufbau eines zivilrechtlichen Falles ist das Schadensrecht dabei dahingehend zu verstehen, dass bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs nach Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen "dem Grunde nach" oder mit anderen Worten des haftungsbegründenden Tatbestands jeweils die Frage des Anspruchs "dem Umfang nach" zu klären ist (haftungsausfüllender Tatbestand).

Dabei sind die möglichen Schadenspositionen unbedingt einzeln zu prüfen. Die Frage nach dem Umfang des Schadensersatzanspruchs ist so zu verstehen, dass damit geprüft wird, ob der Anspruchsteller die jeweils denkbaren Posten des Schadensersatzes (Behandlungskosten, Kosten der Reparatur einer Sache, Schmerzensgeld, entgangener Gewinn - in der vom Anspruchsteller genannten Höhe) im konkreten Fall gem. den §§ 249 ff. BGB sowie eventuell nach anderen, besonderen Regeln erfolgreich durchsetzen kann.

Dabei kann das allgemeine Schadensrecht nicht zu einer einzelnen Regel oder Vorschrift reduziert werden. Die Beantwortung der Frage, inwiefern ein dem Grunde nach zustehender Anspruch auch tatsächlich und im konkreten Umfang eine Zahlungs- oder sonstige Verpflichtung ergibt, muss sorgfältig in mehreren Schritten erfolgen. In vielen Fällen sind einige dieser - nachstehend genannten - Schritte irrelevant oder unproblematisch. Die Lösung aller wichtigen Fallkonstellationen kann zuverlässig allerdings nur dann erfolgen, wenn all diese Punkte beachtet werden.

Im Einzelnen bedarf die Ermittlung des konkreten Umfangs eines Schadensersatzanspruchs der Beantwortung folgender Fragen:
  • ist beim Anspruchsteller ein Schaden feststellbar? Welchen Umfang hat dieser Schaden? (oder genauer: ist das, was der Anspruchsteller geltend macht, vom Schadensumfang im rechtlichen Sinne erfasst?)
  • ist die Art und Weise des Schadensersatzes, wie er geltend gemacht wird, nach §§ 249 ff. BGB auch so vorgesehen? (mit anderen Worten: ist es mit Naturalrestitution - also durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes - oder mit entsprechendem Wertausgleich zu ersetzen?)
  • ist der Schaden überhaupt und in diesem konkreten Umfang dem Anspruchsgegner zuzurechnen? (Kausalität, kein Ausschluss durch Mitverschulden etc.).

Diese einzelnen Prüfungspunkte werden nachstehend etwas genauer beschrieben.

A. Schaden
Die Frage, ob ein Schaden vorliegt, wird in den verfügbaren Lehrbüchern nicht einheitlich behandelt. Es ist in jedem Fall richtig, dass sie mit folgenden Punkten zusammenhängt:
  • dem Begriff des Schadens;
  • der Differenzhypothese (= sog. natürlicher Schaden oder Schaden im natürlichen Sinne);
  • dem Schaden im normativen Sinne und damit verbunden mit Berücksichtigung von weitergehenden Nachteilen oder Anrechnung von Vorteilen.
Eine lineare Durchprüfung der oben genannten Begriffe nacheinander ergibt allerdings keinen Sinn. Um einen ersatzfähigen Schaden anzunehmen, müssen nicht etwa all diese Punkte vorliegen. Vielmehr gehört zur Definition des Schadens zum einen die Differenzhypothese, zum anderen die entsprechenden normativen Korrekturen.

1. Unfreiwillige Einbuße
In der Fallprüfung ist zunächst nach der Schadensdefinition zu fragen. Ein Schaden ist zunächst einmal eine unfreiwillige Einbuße. Liegt eine solche vor, haben wir es prinzipiell mit einem Schaden zu tun. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Anwendung der Differenzhypothese (Differenzmethode) ergibt, dass beim Vergleich zwischen der hypothetischen (wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre) und wirklichen Situation direkt nach dem schädigenden Ereignis ein (gegen den Willen des Geschädigten eingetretener) Nachteil festzustellen ist. Dies ist der natürliche Schaden.
Aber nicht nur dann liegt ein Schaden vor. Manchmal sind die Gesamtumstände des schädigenden Ereignisses aus normativen Gründen etwas weiter zu verstehen. Die sog. normative Korrektur des Schadensbegriffs kann sich dahingehend auswirken, dass auch weitergehende Nachteile zu berücksichtigen sind, die an sich keine direkte Folge des schädigenden Ereignisses sind.

Beispiel:
Infolge eines Unfalls auf einer Baustelle, bei dem ein Nachbarhaus beschädigt wurde, kommt durch ein Loch in der Wand ein Gegenstand zum Vorschein, der durch einen Dritten anschließend gestohlen wird. Hier ist der Unfallverursacher auch für diese - indirekten, erst durch das Handeln anderer Personen eingetretenen - Folgen verantwortlich.

Unter den Begriff einer unfreiwilligen Einbuße fallen grundsätzlich keine Aufwendungen, weil ihr wesentliches Merkmal die Freiwilligkeit ist - der Betroffene nimmt sie selbst auf sich, greift insofern maßgeblich in den Kausalverlauf ein. Dennoch erkennt die Rechtsprechung in manchen Fallkonstellationen die (nutzlosen) Aufwendungen als Schaden an - sofern sie vom Schutzzweck der den Schadensersatzanspruch begründenden Norm erfasst werden (z. B. negatives Interesse bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen o. ä. - insb. sog. frustrierte Aufwendungen). Darüber hinaus können Aufwendungen als Schaden angesehen werden, wenn sie zur Beseitigung der Rechtsgutverletzung getätigt wurden und aus Sicht des Betroffenen für erforderlich gehalten werden durften.

Beispiel:
Eine Mutter bezahlt einen Detektiv, damit dieser den Aufenthaltsort der durch den Vater entführten Kinder ermittelt.

Insgesamt sind also innerhalb der Frage einer Einbuße sowohl die Differenzmethode wie auch zusätzlich die normative Erweiterung auf weitergehende Nachteile und - in Ausnahmefällen - auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis zu berücksichtigen.

2. Berücksichtigung von Vorteilen
Die normative Korrektur ist nicht nur hinsichtlich der Nachteile, sondern auch in Bezug auf eventuelle Vorteile im Zusammenhang mit dem Schaden zu berücksichtigen. Darin zeigt sich, dass die Frage nach dem "normativen Schaden" in logischer Hinsicht unterschiedliche Folgen für die Fallprüfung hat: die weiter als der "normale" Schaden reichenden Nachteile wurden bereits oben erwähnt. In negativer Hinsicht ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass eventuelle (auch mittelbare) Vorteile aus dem schädigenden Ereignis den Schadensumfang mindern.

Ein solcher Vorteil ist allerdings nicht in der Zahlung einer Entschädigung durch einen Versicherer zu sehen - die Zahlung Dritter ist in der Wertung des Gesetzes nicht zwingend ein Umstand, der einen Schadensersatzanspruch mindern soll. Gem. § 86 Abs. 1 VVG gehen Ansprüche gegen Schädiger unter Umständen auf den Versicherer über. Dies spricht dafür, dass die Auszahlung einer Versicherungssumme grundsätzlich keine Minderung des Anspruchs gegen den Schädiger zur Folge hat.

Zu den zugunsten des Schädigers zu berücksichtigenden Vorteilen können insbesondere folgende rechnen:
    • ersparte Aufwendungen (Verpflegungskosten bei Krankenhausaufenthalt, Nutzungsaufwand für eigenen Pkw bei Ersatzwagen),
    • die im Rahmen der Schadensbestätigung erlangten, zusätzlichen Leistungen (Beispiel: höherwertige Fassade, als ursprünglich vereinbart, im Rahmen einer Nachbesserung der Wärmedämmung),
    • "neu für alt" bei Reparatur von bereits gebrauchten Sachen.

3. Sonderfall: mittelbarer Schaden
Die oben genannten (allgemeinen) Regeln gehen davon aus, dass ein Schaden unmittelbar aus der Rechtsgutverletzung oder aus dem Haftungsgrund resultiert. Ersatzfähig im Sinne der §§ 249 ff. BGB sind in der Regel nur diejenigen Schäden (also Einbussen), die bei derjenigen Person eingetreten sind, die bei der Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestandes betroffen war (die verletzte Person, die Person, deren Eigentum beschädigt war etc.).

Normalerweise werden also mittelbare Schäden, die bei Dritten infolge eines Kausalverlaufs eintreten, nicht ersetzt. Hiervon gibt es jedoch einige Ausnahmen - insbesondere in den §§ 844 und 845 BGB. Sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt, ist auch ein mittelbarer Schaden zu berücksichtigen, also ein Schaden, der bei einer Person eingetreten ist, die nicht unmittelbar vom schädigenden Ereignis betroffen war, aber mittelbar auch einen Schaden davonträgt.

B. Art und Umfang des Ersatzes
Der Schaden ist nach den Regeln der §§ 249 ff. BGB zu ersetzen. Dies bedeutet zunächst zwei grundlegend unterschiedliche Wege zur Befriedigung der Interessen des Anspruchstellers:
  • die Naturalrestitution,
  • die Entschädigung in Geld.
Dabei ist die erstgenannte Methode vorrangig anzuwenden. Nur in gesetzlich anerkannten Fällen kann Entschädigung in Geld geltend gemacht werden.

1. Naturalrestitution
Sofern die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands noch möglich ist, kann Naturalrestitution verlangt werden. § 249 BGB stellt allerdings klar, dass dies nicht zwingend bedeuten muss, dass der Schadensverursacher z. B. die Reparatur der beschädigten Sache übernehmen muss, obwohl er dies fachlich nicht stemmen kann. Naturalrestitution ist auch in der Form möglich, dass eine zur Wiederherstellung des Zustands (bei Beschädigung einer Sache - Reparatur durch einen Fachmann) erforderliche Summe gezahlt wird. Dies ist insbesondere unter den Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 BGB und des § 250 BGB möglich.

Zu betonen ist an dieser Stelle, dass die Geldzahlung im Rahmen der Wiederherstellung nicht mit der Geldentschädigung nach § 251 BGB zu verwechseln ist. In den §§ 249 Abs. 2 und 250 BGB soll die Wiederherstellung des vorherigen Zustands erfolgen - allerdings nicht durch den Schädiger, sondern lediglich auf seine Kosten. Eine Geldentschädigung ist nur dann möglich, wenn Naturalrestitution aus irgendeinem Grund nicht funktioniert - sie ist nicht möglich, nicht ausreichend oder nicht zumutbar. Entscheidet sich der Geschädigte, die Wiederherstellung des vorhergehenden Zustandes mit dem Geld des Schuldners nicht durchzuführen, so ist dies je nach verletztem Rechtsgut zulässig (Beschädigung einer Sache - Reparaturkosten auf Gutachtenbasis) oder nicht (fiktive Behandlungskosten bei Körperverletzung).

2. Entschädigung in Geld
In manchen Fällen erachtet das Gesetz die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes für nicht sinnvoll. In diesen Fällen soll an die Stelle der Wiederherstellung eine Geldentschädigung treten. Details regeln §§ 251 - 253 BGB

C. Zurechnung
Auch im haftungsausfüllenden Tatbestand (ebenso wie im haftungsbegründenden) stellt sich die Frage der Zurechnung des Schadens dem Schädiger. Dabei können unter dem Stichwort "Zurechnung" mehrere Probleme zusammengefasst werden:
  • das Problem der Kausalität zwischen der Erfüllung des Tatbestandes der Anspruchsgrundlage (Beispiel § 823 I BGB: Rechtsgutverletzung) und dem konkret eingetretenen Schaden (Nachteil) - wobei auch hier nicht nur die conditio sine qua non-Formel relevant ist, sondern auch die Adäquanz und Schutzzweck der Norm zu beachten sind;
  • das in § 254 BGB geregelte Mitverschulden (bzw. genauer die Mitverursachung);
  • eventuelle Anrechnung von Vorteilen (wobei sie entsprechend der hier vertretenen Ansicht zum Prüfungsaufbau bereits oben, beim Schadensbegriff erläutert wurde);
  • ferner sind eventuelle Haftungsbeschränkungen in besonderen Fällen auch zu berücksichtigen - z. B. § 12 StVG.




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