Wissensdatenbank Wirtschaftsrecht

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Daten als Werke, Patente und Marken


Der immaterialgüterrechtliche Schutz von Werken, Patenten und Marken erfolgt nicht einheitlich. Weitgehend einheitlich ist nur der Schutzumfang mit dem Alleinnutzungs- und Ausschließungsrecht (positive und negative Seite des Eigentumsrechts). Allerdings bestehen auch hier Unterschiede z.B. bei der jeweiligen Schutzdauer. Die Schutzvoraussetzungen sind sehr unterschiedlich und in Abhängigkeit von den Zielen des jeweiligen Schutzrechts.
  • Werke werden durch das Urheberrecht geschützt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Es muss sich bei ihnen um geistig-persönliche Schöpfungen mit einer gewissen Formgestaltung handeln. Umstritten ist, inwieweit ein besonderer Grad der Individualität für den Werkeigenschaft erforderlich ist (sog. Schöpfungshöhe). Der Schutz eines Werkes ist an keine Formalität gebunden, sondern erfolgt unmittelbar mit der Schaffung des Werkes.
  • Patente werden für neue technische Erfindungen verliehen, soweit sie auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und gewerblich nutzbar sind. Diese Voraussetzungen ergeben sich aus § 1 Abs. 1 PatG. Voraussetzung für die Entstehung des rechtlichen Schutzes ist die Anmeldung der Erfindung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder auf europäischer Basis beim Europäischen Patentamt (EPA).
  • Marken dienen der Kennzeichnung von Produkten, damit diese von anderen identischen oder ähnlichen Produkten anderer Unternehmen unterschieden werden können. Die Schutzvoraussetzungen ergeben sich aus §§ 3, 4 MarkenG, der Schutzumfang aus § 14 MarkenG. Zur Schutzentstehung ist entweder a) die Anmeldung der Marke beim DPMA oder b) die Entstehung einer Verkehrsgeltung für die Marke in den angesprochenen Verkehrskreisen erforderlich.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb13SchutzWePaMa.JPG)
Abbildung: Schutz von Werken, Patenten, Marken

A. Daten als Werke


Daten oder Informationen können dem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, wenn sie Werke i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG sind.


1. Allgemeine Voraussetzungen eines Werks

Das Werk ist eine unkörperliche geistige Leistung des Urhebers. Es ist streng zu trennen von dem Werkstück oder -exemplar, als welches das Werk dem Nutzer gegenüber tritt. Das Werk wird erst durch die entäußernde Formgebung ein Gegenstand des Rechts; vorher ist das Werk rein gedanklich im Kopf des Urhebers existent. Allerdings ist Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes dieses gedankliche Werk, wie es in die Welt gelangt ist. Das muss nicht in körperlicher Form (z.B. auf Papier) erfolgen, sondern kann auch unkörperlich durch Darbietung des Werkes erfolgen (z.B. Singen eines gerade im Kopf komponierten Liedes, Improvisationskunst). Das Werkstück ist dagegen eine körperliche Vervielfältigung des Werks, bei massenhafter Vervielfältigung spricht man typischerweise vom Werkexemplar. Als Sache i.S.d. § 90 BGB ist dieses Werkstück oder jedes Werkexemplar durch das Sachenrecht geschützt.
Der Unterschied lässt sich folgendermaßen illustrieren: ein Computerprogramm wird gedanklich von einem Programmier entwickelt; das ist das Werk. Dieses Werk muss zu seiner Anwendbarkeit aber irgendwo geschrieben und gespeichert werden; wenn die Speicherung auf einem USB-Stick erfolgt, ist dieser als körperlicher Gegenstand Werkstück.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb14UntersWerkWerkstueck.JPG)
Abbildung: Unterscheidung Werk und Werkstück

Aber nicht alle, auch nicht alle „ausgedachten“ Daten und Informationen sind per se urheberrechtliche Werke. Vielmehr ist dafür die Einhaltung der Schutzvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderlich: es muss sich um eine geistig-persönliche Schöpfung handeln.
  • Schöpfung: es muss etwas noch nicht Dagewesenes geschaffen werden (s. Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz (5. Aufl. 2015), § 2 Rn. 16). Aus dem Nichts muss Etwas entstehen, wobei es sich nicht um etwas vollkommen Neues handeln muss. Ausreichend ist, dass etwas Vorhandenes in einen neuen Zusammenhang gesetzt wird (Bsp. Bertold Brecht hat 1928 für seine Dreigroschenoper als Vorlage die Beggar’s Opera von John Gay aus dem Jahr 1728 verwendet; trotzdem besteht kein Zweifel am urheberrechtlichen Schutz der Dreigroschenoper).
  • geistiger Gehalt: erfordert nur, dass die Schöpfung durch eine geistige Leistung des Urhebers erreicht worden sein muss.
  • persönliche Leistung: nach h.M. Erfordernis menschlichen Schaffens in Abgrenzung zu tierischen Leistungen (Bsp. Selfie von Makkakenaffe), Verwendung von in der Natur Vorgefundenem; allerdings zweifelhaft, weil dadurch keine Abgrenzung zu (handwerklichem) Alltagsschaffen mehr möglich ist; sinnvollerweise sollte an dieser Stelle das Merkmal als „Ausdruck der Persönlichkiet des Urhebers/Individualität“ verstanden werden; die h.M. begegnet der Aushöhlung des „Besonderem“ einer urheberrechtlichen Schöpfung mit der (ebenfalls dogmatisch zweifelhaften) Einführung eines zusätzlichen, in § 2 Abs. 2 UrhG nicht angelegtem Merkmal „Schöpfungshöhe“ oder „Gestaltungshöhe“.
  • wahrnehmbare Formgestaltung: ein ebenfalls ungeschriebenes, aber aus dem Schöpfungsbegriff ableitbares Tatbestandsmerkmal (s. dazu schon oben).

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb15VssWerk.JPG)
Abbildung: Voraussetzungen eines Werks

Das schwierigste Merkmal des urheberrechtlichen Werkbegriffs ist damit die Persönlichkeit der Schöpfung. Diese Frage ist auch für den Schutz von computergenerierten Daten, Arbeitsergebnissen selbstlernender Algorithmen oder sog. Maschinendaten relevant. Denn ihr urheberrechtlicher Schutz ist nach dem Verständnis der Voraussetzung durch die h.M. sehr zweifelhaft. Computer und Maschinen kommt sicherlich weniger Persönlichkeit zu als Tieren. Bei computergenerierten Daten oder selbstlernenden Algorithmen lässt sich auch der menschliche Einfluss auf das jeweilige Arbeitsergebnis nicht mehr in dem Umfang feststellen, dass von einem menschlichen Schaffen gesprochen werden kann. Stellt man hingegen darauf ab, dass die gewonnenen Daten Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers darstellen muss, ließen sich Computer und Maschinen als eingesetzte Mittel zur Umsetzung des Persönlichkeitsausdrucks des dahinter stehenden, programmierenden Menschen ansehen.
Im europäischen Urheberrecht gibt es keine § 2 Abs. 2 UrhG entsprechende Vorschrift; die Definition urheberrechtlicher Werke obliegt dem nationalen Gesetzgeber. Allerdings hat der europäische Gesetzgeber mit Computerprogrammen, Datenbankwerken und Fotografien drei unionsweite Werkarten definiert, deren einheitliche Schutzvoraussetzungen sind, dass eine „eigene persönliche Schöpfung“ vorliegen muss (vgl. bspw. Art. 1 Abs. 2 RL 96/9/EG vom 27.3.1996 zum Schutz von Datenbankwerken und Datenbanken). Der Begriff der persönlichen Schöpfung erfordert dabei Originalität (EuGH, GRUR 2009, 1041 – Infopaq; EuGH, GRUR 2012, 386 – Football Dataco). Ein Abstellen auf menschliches Schaffen ist danach nicht notwendig; auch maschinelles Werkschaffen könnte originell sein.
Nach der h.M. müsste aber selbst dann, wenn man den menschlichen Einfluss hinter den computergenerierten Daten oder dem selbstlernenden Algorithmus als ausreichend für die persönliche Schöpfung ansieht, noch die sog. Schöpfungs- oder Gestaltungshöhe erreicht werden.
  1. Unproblematisch ist dies bei allen Gegenständen der sog. reinen Kunst; allerdings schafft weder die Digitalisierung eines vorbestehenden Werkes ein eigenständiges Werk noch ist beim „Werkschaffen“ eines Computers oder einer Maschine solche reine Kunst zu erwarten. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, ein originäres digitales Werk zu schaffen; der urheberrechtliche Werkbegriff ist im Hinblick auf die Schaffenstechnik offen.
  1. Selten ist die Gestaltungshöhe bei Darstellungen technischer oder wissenschaftlicher Art gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG zu erwarten. Solche Darstellungen können, da sie keinen künstlerischen Ausdruck haben, unproblematisch von Computern oder Maschinen – auch originär – digital erstellt werden. Wegen des fehlenden künstlerischen Ausdrucks in diesen Darstellungen muss diese für urheberrechtlichen Schutz durch eine hohes Maß an eigenschöpferischer Formgestaltung ausgeglichen werden. Standartisierte Computerprogramme und Maschinen werden eine solche eigenschöpferische, d.h. vor allem originelle Formgestaltung selten hervorbringen können. Aber insbesondere bei selbstlernenden Algorithmen ist das denkbar. Möglichkeiten sind zudem Softwarekomponenten in technischen Standards oder technischen Dokumenten.
  1. Problematisch ist die Bestimmung der Gestaltungshöhe bei Werken der angewandten Kunst, d.h. mehr kunsthandwerklichen Gestaltungen, und praktischen Sprachwerken. Hier ist eine (weitgehend) autonome Erstellung durch Computer und Maschinen durchaus schon heute gegeben. Werke der angewandten Kunst können durch 3 D-Druck erstellt werden, praktische Sprachwerke durch selbstlernende Algorithmen. Reine Daten oder Datensammlungen werden allerdings selten in diese Gruppe gehören. Bisher wurde für diese Gruppe eine im Vergleich zur reinen Kunst „höhere Schutzuntergrenze“ gefordert, allerdings auch noch nicht das Erreichen eigenschöpferischer Formgestaltungen. Dieser Ansatz, der vor allem auf dem Stufenverhältnis zwischen dem höherwertigen Urheberrecht und dem früheren Geschmacksmusterrecht (heute Designrecht) beruht, ist seit der Entscheidung des BGH zum „Geburtstagszug“ aus dem Jahr 2013 fraglich geworden:

BGH, U.v. 13.11.2013 – I ZR 143/12:
(…) Die Kl. ist selbstständige Spielwarendesignerin. Die Bekl. stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Kl. zeichnete für die Bekl. im Jahr 1998 Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Nummern aufstecken lassen („Geburtstagszug“), und für ein Angelspiel. Im Jahr 2001 entwarf sie eine dem Geburtstagszug vergleichbare Tierkarawane („Geburtstagskarawane“). Als Honorar erhielt sie für den Geburtstagszug und das Angelspiel jeweils 400 DM und für die Geburtstagskarawane 1102 DM. Für den Geburtstagszug und die Geburtstagskarawane zeichnete sie im Jahr 2002 ergänzend die aufsteckbaren Nrn. 7, 8 und 9 (die ursprüngliche Ausstattung bestand nur aus den Nrn. 1–6). Dafür erhielt sie 54 Euro. (…) Die Kl. hält ihre Entwürfe für urheberrechtlich geschützte Werke. Sie meint, die vereinbarte Vergütung sei jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs der Artikel zu gering.
Die Kl. nimmt die Bekl. deshalb auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung (§ 36 UrhG a. F., §§ 32, 32a UrhG) in Anspruch. (…)
Aus den Gründen: (…)
[5] I. Das BerGer. hat angenommen, die von der Kl. geltend gemachten Ansprüche seien nicht begründet, weil es sich bei den Entwürfen nicht um Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes handele. Dazu hat es ausgeführt:
[6] Die von der Kl. angefertigten Entwürfe seien nicht als Werke der angewandten Kunst i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt. Bei Werken der angewandten Kunst seien nach der hergebrachten Rechtsprechung des BGH hohe Anforderungen an die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen. Danach komme keiner der von der Kl. angefertigten Zeichnungen urheberrechtlicher Schutz als Entwurf eines Werkes der angewandten Kunst zu. (…)
[7] Die Zeichnungen seien auch nicht als Darstellungen technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt. Bei technischen Zeichnungen genieße allein die Form, nicht dagegen der Inhalt der Darstellung urheberrechtlichen Schutz. Deshalb ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG kein Schutz gegen den Nachbau des Dargestellten. Darin liege der Unterschied zu Entwürfen für Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, die gerade in Bezug auf die Ausführung des Entworfenen geschützt seien. Die Bekl. habe die Zeichnungen nicht etwa vervielfältigt und verkauft, sondern als Vorlage für die Herstellung der Artikel verwendet.
[8] II. Die Revision der Kl. hat teilweise Erfolg. Die von der Kl. geltend gemachten Ansprüche sind zwar nicht begründet, soweit sie darauf gestützt sind, dass es sich bei den in Rede stehenden Zeichnungen um urheberrechtlich geschützte Darstellungen technischer Art i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG handele (dazu 1). Mit der vom BerGer. gegebenen Begründung kann jedoch ein urheberrechtlicher Schutz der Zeichnungen als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG nicht verneint werden und können die von der Kl. erhobenen Ansprüche nicht abgelehnt werden (dazu 2). (…)
[9] 1. Die von der Kl. geltend gemachten Ansprüche sind nicht begründet, soweit sie darauf gestützt sind, dass es sich bei den in Rede stehenden Zeichnungen um urheberrechtlich geschützte Darstellungen technischer Art i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG handele. (…)
[12] Bei einer Darstellung technischer Art genießt allein die Form der Darstellung urheberrechtlichen Schutz, nicht dagegen deren Inhalt (…). Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gewährt Schutz allein gegen die Verwertung der Darstellung, nicht aber gegen die Verwertung des Dargestellten. Darin liegt, wie das BerGer. mit Recht angenommen hat, der Unterschied zum urheberrechtlichen Schutz des Entwurfs eines Werkes der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, der sich auf die Ausführung dieses Entwurfs erstreckt. Die Kl. nimmt die Bekl. allein im Blick auf den Vertrieb von nach ihren Entwürfen hergestellten Spielwaren in Anspruch.
[14] 2. Mit der vom BerGer. gegebenen Begründung kann ein urheberrechtlicher Schutz der Zeichnungen als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG nicht verneint werden und können die von der Kl. erhobenen Ansprüche nicht abgelehnt werden.
[15] a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Soweit die Regelung des § 2 Abs. 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG auch Entwürfe solcher Werke schützt, entspricht sie dem allgemeinen Grundsatz, dass auch Vorstufen eines Werkes geschützt sind, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen (…). Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr.; (…)).
[16] b) Die von der Kl. entworfenen Spielwaren dienen einem Gebrauchszweck und sind daher dem Bereich der angewandten Kunst und nicht dem der zweckfreien („reinen“) Kunst zuzurechnen (…).
[17] c) Das BerGer. ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass nach der hergebrachten Rechtsprechung des BGH bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe (den Grad des ästhetischen Gehalts) eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (dazu aa). Es hat auch zutreffend angenommen, dass die von der Kl. angefertigten Zeichnungen danach keinen Urheberrechtsschutz als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst genießen (dazu bb). Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass das BerGer. angenommen hat, eine möglicherweise erforderliche Änderung dieser Rechtsprechung betreffe nicht den hier in Rede stehenden Zeitraum (dazu cc).
[18] aa) Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei Werken der zweckfreien bildenden Kunst – ebenso wie im Bereich des literarischen und musikalischen Schaffens – die so genannte kleine Münze anerkannt, die einfache Schöpfungen umfasst. Dagegen ist bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung gefordert. Dies wird damit begründet, dass zwischen dem Urheberrecht und dem Geschmacksmusterrecht kein Wesensunterschied, sondern nur ein gradueller Unterschied bestehe. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung – dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen – abheben müsse, sei für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, d. h. ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern. Für den Urheberrechtsschutz sei danach ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu verlangen, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden dürfe (st. Rspr.; (…)).
[26] a) Der Senat hält nicht daran fest, dass der Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Eine Aufgabe der hergebrachten Rechtsprechung ist zwar nicht durch das Urheberrecht der Europäischen Union geboten (dazu aa); sie erscheint aber im Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12.3.2004 erforderlich (dazu bb). (…)
[34] (1) Nachdem das Geschmacksmusterrecht durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12.3.2004, mit dem die Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen umgesetzt wurde, neu gestaltet worden ist, besteht zwischen dem Geschmacksmusterrecht und dem Urheberrecht kein Stufenverhältnis mehr in dem Sinne, dass das Geschmacksmusterrecht den Unterbau eines wesensgleichen Urheberrechts bildet. Mit einem solchen Stufenverhältnis können die erhöhten Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst daher nicht mehr begründet werden.
[35] Der Gesetzgeber hat mit dem Geschmacksmusterrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und den engen Bezug zum Urheberrecht beseitigt (Begr. z. RegE des Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Dr 15/1075, S. 29). Das kommt bereits in den jeweiligen Überschriften des früheren sowie des geltenden Geschmacksmustergesetzes, des „Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“ einerseits sowie des „Gesetzes über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen“ andererseits (ab dem 1. 1. 2014 „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design“, (…)) zum Ausdruck. Vor allem aber wird die nunmehr vom Urheberrecht abweichende Schutzrichtung des Geschmacksmusterrechts darin deutlich, dass der Schutz als Geschmacksmuster nach seiner Neugestaltung nicht mehr die Eigentümlichkeit (§ 1 Abs. 2 GeschmMG a. F.) und damit die Gestaltungshöhe, sondern die Eigenart (§ 2 Abs. 1, Abs. 3 GeschmMG) und damit die Unterschiedlichkeit des Musters voraussetzt. (…)
[39] Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz schließen sich nicht aus, sondern können nebeneinander bestehen (…). Sie haben nicht nur verschiedene Schutzrichtungen, sondern auch unterschiedliche Schutzvoraussetzungen und Rechtsfolgen. Der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist, rechtfertigt es daher nicht, ihr den Urheberrechtsschutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. Durch die Gewährung von Urheberrechtsschutz wird der Geschmacksmusterschutz auch nicht überflüssig. Eine Gestaltung kann auf Grund ihrer Unterschiedlichkeit zum vorbekannten Formenschatz einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sein, ohne die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe zu erreichen.
[40] Zwar ist es insbesondere im Blick auf die ausgesprochen lange urheberrechtliche Schutzfrist – das Urheberrecht erlischt gem. § 64 UrhG siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers – geboten, für den urheberrechtlichen Schutz eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern (…). Es erscheint aber im Blick darauf, dass es sich beim Geschmacksmusterrecht nicht mehr um ein wesensgleiches Minus zum Urheberrecht handelt, nicht gerechtfertigt, an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien Kunst.
[41] Es ist auch nicht zu befürchten, dass damit in der angewandten Kunst die Nutzung eines weiten Bereichs freier Formen übermäßig eingeschränkt wird. Auch wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, ist bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht (…). Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (…). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (...). Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt (…),
abgedruckt in BGHZ 199, 52.
Der Volltext kann auch beispielhaft hier [externer Link] nachgelesen werden.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb16StufenGestaltungsh.JPG)
Abbildung: Stufen der Gestaltungshöhe

Soweit ein maschinell hergestelltes Werk herstellt ist, sind seine individuellen Züge und – jedenfalls dann, wenn Schutzgrund die inhaltliche Gestaltung ist - sein Inhalt Gegenstand des Schutzes. Abtrennbare Teile sind selbständig geschützt, soweit sie eigenständigem Schutz nach § 2 Abs. 2 UrhG zugänglich sind. Unwahrscheinlich ist bei diesen Werken ein eigenständiger Schutz des Werktitels. Nicht geschützt ist jedoch die jeweilige Technik, die vom Computer oder der Maschine zur Werkherstellung eingesetzt worden ist (z.B. „Digitaltechnik“). Auf der anderen Seite können Computer und Maschinen für ihre Werkherstellung freies Gemeingut, wissenschaftliche Ideen oder Lehren und Gedanken verwenden, weil diese niemals urheberrechtlichem Schutz unterliegen.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb17UmfangUrhRSchutz.JPG)
Abbildung: Umfang des urheberrechtlichen Schutzes

Eine ganze Anzahl von Faktoren bei der industriellen Herstellung von urheberrechtlich relevanten Gütern durch bspw. Digitaltechnik oder 3 D-Druck spielen dagegen für die Schutzentstehung keine Rolle. So sind die Neuheit des Produkts oder sein Zweck ebenso unerheblich wie mit der Produktion verbundener Aufwand und Kosten. Selbst ästhetische Formgestaltungen führen nicht zu einem urheberrechtlichen Schutz, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG nicht erfüllt sind. Auch gesetzes- oder sittenwidrig hergestellte Werke können urheberrechtlichen Schutz erlangen. Die Offenheit des Werkbegriffs auch im Hinblick auf die Herstellungsart ermöglicht gerade eine Anwendung auch auf digital produzierte Güter.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb18IrrFktnWerkbgrff.JPG)
Abbildung: Irrelevante Faktoren für den Werkbegriff

2. Daten in und als Computerprogramm, Datenbankwerk oder Datenbank

Daten oder Informationen, die Computer und Maschinen steuern oder durch diese generiert werden, lassen sich urheberrechtlich am besten im System von Computerprogrammen, Datenbankwerken oder Datenbank einordnen. Das Urheberrecht differenziert zwischen diesen drei Arten technisch relevanter Werk- und Leistungsarten, die insbesondere für elektronisch verfügbare Daten wesentlich sind, mit unterschiedlichen Schutzvorschriften:

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb19UrhRSchutzElektrDaten.JPG)
Abbildung: Urheberrechtlicher Schutz von elektronischen Daten

Dabei bleibt die Differenzierung nicht bei der rechtlichen Grundlage stehen, sondern greift angesichts unterschiedlicher Zielsetzungen tiefer in die rechtliche Struktur dieser Werkkategorien ein.
Der wichtigste Unterschied liegt bereits darin, dass es sich bei Computerprogrammen und Datenbankwerken um echte urheberrechtlich geschützte Werke handelt, während der Schutz von „einfachen“ Datenbanken sui generis erfolgt, also eigener Art in Form eines Leistungsschutzrechtes.
Hintergrund ist der auch persönlichkeitsrechtliche Schutz von Computerprogrammen und Datenbankwerken, in denen sich die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelt, und die ausschließlich ökonomische Bedeutung der „einfachen“ Datenbank. Insofern ist das Datenbankrecht vom deutschen Gesetzgeber auch systemwidrig im Urheberrecht verortet worden, obwohl es nicht um den Schutz des Schöpfers einer Datenbank, sondern um denjenigen des Investors („Hersteller“) in die Datenbank geht.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb20AbgrComputerprogrDBWDB.JPG)
Abbildung: Abgrenzung zwischen Computerprogramm, Datenbankwerk und Datenbank

a. Computerprogramm
Mangels gesetzlicher Definition in der zirkelschlüssigen Formulierung des § 69a UrhG wird in der Rechtsprechung auf die DIN 44300 („eine zur Lösung einer Aufgabe vollständige Anweisung zusammen mit allen erforderlichen Vereinbarungen“) und § 1 der WIPO-Mustervorschriften („eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt“) abgestellt.
Im Kern lässt sich sagen, dass jede Form von Software mit Steuerungsbefehlen als Computerprogramme angesehen werden kann, da nach § 69a Abs. 2 UrhG ohnehin keine anderen Voraussetzungen als das Vorliegen einer „eigenen (= persönlichen?) geistigen Schöpfung“ gefordert werden darf.
Erfasst sind in jedem Fall Betriebssysteme, Anwendungsprogramme, Hilfsprogramme und Makros, Internet-Browser, Suchmaschinen, E-Mail-Software, Software-Agenten und Router-Software. Bei diesen Programmen sind der Maschinen- und der Objektcode einschließlich des jeweiligen Entwurfsmaterials, der Entwicklungsstufen und eines Grobkonzepts als Formen des Computerprogramms anerkannt.
Nicht zu den Computerprogramm gehören
  • der Algorithmus und der Quellcode (arg. ex. § 69d Abs. 3 UrhG),
  • die Handbücher und etwaige Pflichtenhefte, da sie selbst keine Steuerbefehle enthalten,
  • Benutzeroberflächen, Bildschirmmasken, Displays und sein „Look and Feel“, da es sich hierbei nur um das Arbeitsergebnis des Computerprogramms handelt,
  • Daten.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb21UmfComputerprogrSchutz.JPG)
Abbildung: Umfang des Computerprogrammschutzes

b. Datenbankwerke
Gem. § 4 Abs. 2 UrhG elektronisch oder auf andere Weise zugängliche Sammlungen von Daten, bei denen die systematische und/oder methodische Anordnung der Daten (also nicht die Daten selbst!) eine eigenständige geistig-persönliche Schöpfung darstellt;
erforderlich ist also
  • erstens, dass bei der Zusammenstellung der Daten und Informationen überhaupt ein individueller gestalterischer Spielraum besteht (nicht bei Datensammlungen, die zwingend in einer bestimmten - z.B. alphabetischen oder numerischen - Reihenfolge geordnet werden müssen), und
  • zweitens, dass dieser Spielraum vom Zusammensteller auch genutzt wird.

Das gestalterische Konzept, dass der Zusammensteller bei der Anordnung der Daten verfolgt und umsetzt, muss das Fehlen einer schöpferischen Tätigkeit bei der Gewinnung der Daten ausgleichen. Nur so kann gerechtfertigt werden, dass der Zusammensteller ein eigenes Urheberrecht an dem Datenbankwerk erhält.
Das Datenbankwerk ist nach § 4 Abs. 2 S. 2 UrhG auch streng von einem Computerprogramm zu trennen, das den elektronischen Zugriff auf die Daten des Datenbankwerks ermöglicht. Bei elektronischen Datenbanken sind also drei Ebenen möglichen urheberrechtlichen Schutzes zu unterscheiden:
  • die einzelnen Daten (z.B. Text, Bild, Film nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 UrhG),
  • das Anordungskonzept (Datenbankwerk nach § 4 Abs. 2 UrhG) und
  • die vom Nutzer eingesetzte Zugriffssoftware (Computerprogramm nach § 69a UrhG).

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb22DreiEbenenDBW.JPG)
Abbildung: Drei urheberrechtliche Ebenen beim Datenbankwerk

c. Datenbank
Die „einfache“ Datenbank stellt nach § 87a UrhG ebenfalls eine Sammlung von Daten dar, die sich aber vom Datenbankwerk dadurch unterscheidet, dass
  • entweder kein individueller gestalterischer Spielraum für die Zusammenstellung der Daten besteht
  • oder dieser Spielraum nicht vom Zusammensteller genutzt worden ist.

Wenn es dadurch an einem individuellen gestalterischen Konzept für die Anordnung der Daten und Informationen fehlt, ist die Gewährung eines Urheberrechtsschutzes nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat der europäische Gesetzgeber, der Initiator eines Schutzes für einfache Datenbanken war, hier ein neuartiges eigenes (sui generis) Schutzrecht entwickelt. Dieses Schutzrecht steht auch nicht dem Zusammensteller der Daten (denn er ist nicht Urheber!), sondern demjenigen zu, der in die Herstellung der Datenbank investiert hat (Hersteller), und zwar mit einer im Vergleich zum Urheberrechtsschutz kurzen Schutzfrist (15 Jahre). Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht aus dem sui generis-Schutz ein urheberrechtliches Leistungsschutzrecht gemacht.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb23UntersDBWuDB.JPG)
Abbildung: Unterschiede zwischen Datenbankwerken und Datenbanken

3. Insbesondere: Möglichkeit der Softwarepatentierung

Angesichts des technischen Charakters von Software stellt sich die Frage, ob nicht ein patentrechtlicher Schutz systemgemäßer wäre. Der Gesetzgeber hat sich für die Einordnung von Computerprogrammen/Software in das urheberrechtliche System von der Überlegung leiten lassen, dass Software mittels Programmiersprachen geschrieben wird, es sich mithin um ein Sprachwerk handeln müsse (vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Dennoch wollte er die Möglichkeit eines parallelen Schutzes von Computerprogrammen nach Patentrecht, Halbleiterschutzrecht, Markenrecht oder sonstigen Grundlagen nicht ausschließen (vgl. § 69g Abs. 1 UrhG). Allerdings sperrt § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG a.E. eine Patentierung von „Programmen für Datenverarbeitungsanlagen“, womit Software oder Computerprogrammen gemeint sind. Diese Sperrung soll sich nach § 1 Abs. 4 PatentG aber nur für die Programme „als solches“ auswirken. Welche Wirkung diese Regelung auf die Möglichkeit der Patentierung von Software hat, ist höchst umstritten (umfassend zum Streitstand Benkard, Patentgesetz (10. Aufl. 2010 !), § 1 Rn. 117-145).

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb24SoftwarepatSpannungsvUrhRPatR.JPG)
Abbildung: Softwarepatentierung im Spannungsverhältnis von Urheber- und Patentrecht

Praktisch hat dieser Streit aber heutzutage keine Auswirkung, weil sowohl das Deutsche Patent- und Markenamt als auch das Europäische Patentamt in großem Umfang Softwarepatente erteilt (nach Schätzung des Fraunhofer Instituts ca. 30.000 Erteilungen beim EPA bis 2010). Die Prüfungsrichtlinien des DPMA von 2004 sehen für die Patentierung von Software bzw. computerimplementierten Erfindungen vor:

4.3.1 Erfindungen, die ein DV-Programm, eine Rechen- oder eine Organisationsregel, sonstige Software-Merkmale oder ein programmbezogenes Verfahren enthalten, sind dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich sind, sofern sie eine technische Lehre enthalten.
4.3.2 Der Ausschluss in §1 (3) und (4) PatG gilt nicht für programmbezogene Erfindungen, d.h. in Programmen enthaltene oder als Verfahren oder Vorrichtung formulierte Anweisungen zum technischen Handeln.

Soweit für technische Verfahren oder Vorrichtungen im Zusammenhang mit „Programmen für Datenverarbeitungssystemen“ Patentschutz beansprucht wird, sind diese trotz § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG im Regelfall patentfähig. Eingeschlossen sind dabei Programme zum Ablauf von Verfahrensschritte auf allen Gebieten der Technik. Entscheidend ist also die – zumindest teilweise – Technizität der computerimplementierten Erfindung sowie zusätzlich Anweisungen zur Lösung eines technischen Problems.

BGH, U.v. 24.02.2011, X ZR 121/09 – Webseitenanzeige:
(…) 1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG), wofür ausreicht, dass ein Teilaspekt der geschützten Lehre ein technisches Problem bewältigt (…). Ist das zu bejahen, ist auf der Grundlage der Regelung in § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG weiter zu prüfen, ob er Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (…).
a) Die erforderliche Technizität ist im Streitfall zu bejahen, weil das unter Schutz gestellte Verfahren der datenverarbeitungsmäßigen Abarbeitung von Verfahrensschritten in netzwerkmäßig verbundenen technischen Geräten dient, wobei die von einem Benutzer bei einem Internetbesuch aufgerufenen Webseiten registriert werden und eine anzeigbare Darstellung dieser Seiten erzeugt wird. Dabei handelt es sich um typische Schritte der Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten mittels technischer Geräte (…). Soweit diese (Server, Clients) nicht im Patentanspruch 1 genannt sind, ist dies unschädlich, weil für den Fachmann, als den das Patentgericht zutreffend einen Informatiker ansieht, der über praktische Erfahrung in der Programmierung von Browser-Programmen und Benutzerführungen verfügt, offenkundig ist, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 den Einsatz von Computern in Netzwerken bedingt. Es genügt auch bei einem Verfahrensanspruch für die Erfüllung des Technizitätserfordernisses, wenn die Erfindung eine bestimmte Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt und damit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt (...).
b) Auch ein auf dem Gebiet der Technik eingesetztes Verfahren ist nach der st. Rspr. des BGH nicht schon deswegen dem Patentschutz zugänglich, weil es zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs auch den Einsatz eines Programms zur Steuerung einer Datenverarbeitungsanlage vorsieht (…). Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt, muss die beanspruchte Lehre vielmehr über die für die Patentfähigkeit unabdingbare Technizität hinaus Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (st. Rspr., …).
Dieses Erfordernis steht nicht in Widerspruch zu Art.27 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). Dieses Abkommen garantiert Programmen für Datenverarbeitungsanlagen keinen uneingeschränkten Patentschutz. Einschränkungen des Erfindungsbegriffs wie durch den in § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG formulierten Patentierungsausschluss waren lange vor dem Abschluss des Abkommens in den Rechtsordnungen von Vertragsstaaten bzw. in von diesen geschlossenen Übereinkommen (Art. 52 Abs. 3 EPÜ) verankert und sind durch den Abschluss des TRIPS-Abkommens nicht hinfällig geworden (…),
abgedruckt in GRUR 2011, 610; Hervorhebung durch Verfasser.
Der Volltext kann auch beispielhaft hier [externer Link] nachgelesen werden.

Der Vorteil eines Patentschutzes für Software liegt im Vergleich zum urheberrechtlichen Schutz vor allem in dem Schutz vor Umgehungen der erfinderischen Lösung. Während das Urheberrecht nur einen sog. Identitätsschutz bei Vervielfältigungen/Kopien gewährt, wird durch das Patentrecht nicht nur die zugrundeliegende Idee (also die Erfindung selbst), sondern auch vor unabhängige Parallelentwicklungen (sog. Ähnlichkeitsschutz). Der zeitliche Vorteil des urheberrechtlichen Schutzes von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers (post mortem auctoris) im Vergleich zum nur 20-jährigen Patentschutz nach Anmeldung macht bei den schnell veraltenden Computerprogramm wirtschaftlich regelmäßig keinen Sinn.

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Abbildung: Vergleich Urheberrechts und Patentschutz bei Software

Der Ausschlussgrund des § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG für die „Wiedergabe von Informationen“ hindert dagegen eine rechtliche Datenhoheit kaum, weil nicht der patentrechtliche Schutz für die Daten oder Informationen selbst unterbunden wird, sondern nur für deren Wiedergabe. Dieser Unterschied ist auch wichtig, weil bei Verfahrenspatenten der Schutz sich gerade auf die Daten bezieht.
Soweit für Daten oder Informationen in Software ein patentrechtlicher Schutz und damit ein Eigentumsschutz in Anspruch genommen werden soll, muss die entsprechende Software natürlich den Schutzvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 PatG entsprechen: Erfindung auf technischem Gebiet, Neuheit (s. dazu § 2 PatG), erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Nutzbarkeit (s. dazu § 3 PatG). Zur Erfindung auf technischem Gebiet hat der BGH bereits 1976 zu Computerprogrammen entschieden, dass es sich um eine technische Lehre handeln muss, „die sich zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte außerhalb des menschlichen Verstandestätigkeit bedient“ (BGH GRUR 1977, 96 – Dispositionsprogramm).

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb26VssPatentschutz.JPG)
Abbildung: Voraussetzungen Patentschutz

Der Unterschied von Softwarepatenten zu herkömmlichen Sachpatenten liegt auf verschiedenen Ebenen. So beziehen sich die Sachpatente auf technische Erfindungen, mit denen eine Problemlösung geboten wird, während es bei Softwarepatentschutz nur um ein Verfahren geht, mit dem eine Idee geschützt wird. Damit liegt der Softwarepatentschutz allerdings dem Verfahrenspatent sehr nahe. Der wichtigste Unterschied – der tatsächlich auch die Berechtigung des Softwareschutzes überhaupt in Frage stellt – liegt aber in dem Schutzgegenstand: während beim Sachpatent (und auch beim eigentlichen Verfahrenspatent) eine Beherrschung von Naturkräften vorliegt, die experimentell auch nachweisbar ist, kann die Wirksamkeit eines Softwarepatents nur durch logische Schlussfolgerungen überprüft werden.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/RechtderDigitalisierungDatenWerkePatenteMarken/RdDAbb27UntersSachpatentSoftwarepatent.JPG)
Abbildung: Unterschiede Sachpatent/Softwarepatent

B. Daten als Patente


Entsprechende Informationen finden sich im Kapitel Immaterialgüterrechte.

C. Daten als Marken


Entsprechende Informationen finden sich im Kapitel Immaterialgüterrechte.

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Autor: Prof. Dr. Ulf Müller
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