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Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht II


Fall 4 - Decreto - lei



Portugal hat die Vermiet- und Verleih-RL mit dem Decreto-lei Nr. 332/97 vom 27. 11. 1997 (Diário da RepúblicaI, Serie A, Nr. 275 v. 27. 11. 1997, S. 6393, im Folgenden: Decreto-lei), mit dem die Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung an die Künstler, die ihr Vermietrecht abgetreten haben, eingeführt wurde, in das portugiesische Recht umgesetzt.

Art. 5 des Decreto-lei bestimmt:
„1. Hat ein Urheber sein Vermietrecht an einem Tonträger, einem Videogramm oder an dem Original oder einem Vervielfältigungsstück eines Films an einen Tonträgerhersteller oder Filmproduzenten übertragen oder abgetreten, so hat er ein unverzichtbares Recht auf eine angemessene Vergütung für die Vermietung.

2. Für die Zwecke des Abs. 1 haftet der Hersteller bzw. Produzent für die Zahlung der Vergütung, die, wenn keine Vereinbarung getroffen wird, durch Schiedsspruch und gemäß dem Gesetz festgelegt wird.”

Art. 7 des Decreto-lei sieht vor:
„1. Das Verbreitungsrecht einschließlich des Vermiet- und Verleihrechts steht ferner zu:
a) dem ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnung seiner Darbietung;
b) dem Tonträger- oder Videogrammhersteller in Bezug auf seine Tonträger oder Videogramme;
c) dem Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke dieses Films.”

2. Die in Abs.1 vorgesehenen Rechte erlöschen nicht mit dem Verkauf oder irgendeiner anderen Verbreitung der genannten Gegenstände.

3. Abgesehen von den Abs. 1 und 2 ist außerdem der Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films berechtigt, die Vervielfältigung des Originals und der Vervielfältigungsstücke dieses Films zu erlauben.

4. Für die Zwecke des vorliegenden Rechtsakts umfasst die Bezeichnung ‚Film’ vertonte oder nichtvertonte Filmwerke, audiovisuelle Werke sowie Laufbilder.”

Art. 8 des Decreto-lei lautet:
„Bei Abschluss eines Vertrags zwischen ausübenden Künstlern und einem Produzenten über die Produktion eines Films gilt vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen die Vermutung, dass das Vermietrecht des Künstlers an den Produzenten abgetreten wird; das unverzichtbare Recht auf eine angemessene Vergütung für die Vermietung nach Art. 5 Nr. 2 bleibt davon unberührt.”

Ist das Gesetz richtlinienkonform?


Lösung


1. Es könnte Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie entgegenstehen, dass das Decreto-lei es zulässt, dass das dem Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films zustehende ausschließliche Recht, die Vermietung zu erlauben oder zu verbieten, auf Hersteller von Videogrammen erstreckt wird.

Würde auch Videogrammherstellern ein ausschließliches Vermietrecht gewährt, würde der Liste in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie nicht einfach nur eine zusätzliche Kategorie von Rechtsinhabern hinzugefügt, sondern es würden vielmehr die in dieser Bestimmung aufgeführten spezifischen ausschließlichen Rechte beeinträchtigt. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie gewährt dem Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung für das Original und die Vervielfältigungsstücke seines Films das ausschließliche Recht, die Vermietung und das Verleihen zu erlauben oder zu verbieten. Würde dem Hersteller eines Videogramms ebenfalls das Recht gewährt, die Vermietung dieses Videogramms zu kontrollieren, wäre das Recht des Herstellers der erstmaligen Aufzeichnung offenkundig kein ausschließliches Recht mehr.

Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Richtlinie, mit der in der Gemeinschaft ein harmonisierter Rechtsschutz für das Vermiet- und Verleihrecht und bestimmte dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte im Bereich des geistigen Eigentums eingeführt werden soll. Die Richtlinie soll die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede hinsichtlich des Rechtsschutzes für urheberrechtlich geschützte Werke in Bezug auf das Vermieten und Verleihen beseitigen, um Handelsschranken und Wettbewerbsverzerrungen zu verringern. Könnten die Mitgliedstaaten das Recht, die Vermietung von Videogrammen zu erlauben oder zu verbieten, nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie nach Belieben verschiedenen Kategorien von Personen gewähren, würde dieses Ziel jedoch offensichtlich nicht erreicht.

Videokassetten werden durch Verkauf, aber auch durch Vermietung in den Verkehr gebracht werden. Die Befugnis, die Vermietung in einem Mitgliedstaat zu untersagen, ist geeignet, den Handel mit den betreffenden Videokassetten in diesem Staat und dadurch mittelbar den innergemeinschaftlichen Handel mit diesen Erzeugnissen zu beeinträchtigen.

Es ist nicht erkennbar, dass die Herstellung von Videogrammen so hohe und risikoreiche Investitionen erforderte, dass diese einen besonderen Schutz verdienten. Tonaufnahmen lassen sich äußerst leicht vervielfältigen. Die Entwicklung neuer Technologien hat dazu beigetragen, auch die Vervielfältigung von Bildträgern zu erleichtern.

Das Decreto-lei verstößt folglich, soweit es auch für Videogrammhersteller ein Vermietrecht vorsieht, gegen die Richtlinie.

2. Art. 5 Abs. 2 Decreto-lei könnte gegen Art. 4 der Richtlinie verstoßen, da es zwei verschiedene Hersteller betreffen könne, den Videogrammhersteller und den Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films.

Nach Art. 5 Abs. 2 des Decreto-lei hat der Hersteller die Vergütung für die Vermietung zu zahlen. Dies könnte es den Künstlern erschweren, die Vergütung zu erhalten, auf die sie Anspruch hätten, da sie nicht wüssten, welcher der beiden Hersteller diese Vergütung zu zahlen habe. Nach der Richtlinie soll nur der Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films Zessionar des Vermietrechts der ausübenden Künstler und zur Zahlung der Vergütung, auf die diese Anspruch hätten, verpflichtet sein. Eine Umsetzung der Richtlinie, wie sie durch das Decreto-lei erfolgte, könnte daher in Wirklichkeit dazu bestimmt sein, die Vervielfältigungsindustrie zu begünstigen.

Richtlinien sind im Interesse der in diesen Staaten ansässigen Betroffenen in einer Weise umzusetzen, die den vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgegebenen Erfordernissen der Klarheit und Sicherheit der Rechtslage in vollem Umfang gerecht wird. Dazu sind die Bestimmungen einer Richtlinie mit unbestreitbarer Verbindlichkeit sowie mit der erforderlichen Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umzusetzen. Aus Art. 2 Abs. 5 und 7 der Richtlinie ergibt sich, dass eine Abtretung der Rechte der ausübenden Künstler an einen Filmproduzenten vermutet werden oder kraft Gesetzes erfolgen kann. Als Ausgleich für diese Abtretung garantiert Art. 4 der Richtlinie den ausübenden Künstlern eine angemessene Vergütung.

Art. 8 des Decreto-lei sieht vor, dass der ausübende Künstler das ausschließliche Vermietrecht an den „Filmproduzenten” abtritt, definiert diesen Begriff jedoch nicht näher. Nach Art. 5 des Decreto-lei hat der Filmproduzent die Vergütung auf Grund der Abtretung des Vermietrechts an einem Videogramm oder an dem Original oder einem Vervielfältigungsstück eines Films zu zahlen. Legt man Art. 8 des Decreto-lei i.V. mit Art. 5 des Decreto-lei aus, kann man zu dem Schluss gelangen, dass der Videogrammhersteller zu der Kategorie der Filmproduzenten gehört, die die Vergütung zu zahlen haben.

Der in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie im Zusammenhang mit der Abtretung des Vermietrechts verwendete Begriff „Filmproduzent” meint hingegen tatsächlich nur den Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films. Da Videogramme in dieser Bestimmung nicht genannt werden, hat ein Videogrammhersteller nicht den Status eines Filmproduzenten. Diese Umsetzung der Richtlinie führt somit dazu, dass es den Künstlern in Portugal gegebenenfalls nicht möglich sein könnte, die Vergütung zu erhalten, auf die sie Anspruch haben, da nicht klar ist, wer der Hersteller ist, der die in Art. 4 der Richtlinie vorgesehene angemessene Vergütung zu zahlen hat.

Demnach verstößt Art. 5 Abs. 2 Decreto-lei wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Art. 4 i.V. mit Art. 2 Abs. 5 und 7 der Richtlinie gegen die Richtlinie.

Vgl. EuGH, U. v. 13. 7. 2006 – Rs. C-61/05







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