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Internationales Privatrecht


Verweisung

Das internationale Privatrecht eines Forums verweist über die Anknüpfungspunkte auf die Rechtsordnung eines anderen Staates. Diese Verweisung kann nach deutschem Recht eine Sachnorm- oder eine Gesamtnormverweisung sein. Bei einer Sachnormverweisung wird nur auf die Sachvorschriften der fremden Rechtsordnung verwiesen. Bei einer Gesamtnormverweisung wird auch das Kollisionsrecht (IPR) des ausländischen Staates zur Anwendung berufen, vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB.


A. Grundsatz: Gesamtverweisung

Der deutsche Gesetzgeber hat sich in Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich für eine Gesamtnormverweisung ausgesprochen, sodass die Verweisung auf das Recht eines anderen Staates auch dessen Internationales Privatrecht erfasst, sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht. Entsprechende Regelungen finden sich beispielsweise in Frankreich, Belgien und Österreich.

Wird infolge der Gesamtnormverweisung auch auf das IPR des ausländischen Staates verwiesen, kann dieses
  • die Verweisung annehmen
  • die Sache an den verweisenden Staat zurückverweisen
  • die Sache an einen dritten Staat und dessen Rechtsordnung weiterverweisen

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/IntPrivatrechtVerweisung/Verweisung.jpg)

I. Annahme der Verweisung
Verweisen die ausländischen IPR-Vorschriften auf ihre eigene Rechtsordnung, wird die Verweisung angenommen. Das Sachrecht der berufenen Rechtsordnung kommt dann zur Anwendung.

Beispiel: Der Engländer E stirbt in Deutschland und vererbt an seinen Sohn ein in England gelegenes Grundstück. Auf das Erbrecht ist gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, dem der Erblasser angehört, hier also das englische Recht. Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB wird auf das ausländische Recht, einschließlich dessen Kollisionsrecht verwiesen. Nach englischem IPR ist bei Erbschaften über Grundstücke das Recht des Staates anzuwenden, in dem das Grundstück gelegen ist, hier also auch englisches Recht. Damit nimmt das englische Recht die Verweisung durch das deutsche Recht an. Englisches Erbrecht ist anwendbar.

II. Der renvoi (Rück- oder Weiterverweisung)
Wenn die ausländische IPR-Vorschrift einen anderen Anknüpfungspunkt als die Vorschrift des Forums enthält, kann es sein, dass das berufene Recht die Verweisung nicht annimmt. Es verweist die sache dann entweder an das Recht des Gerichtsortes zurück (renvoi au premier degre) oder an eine dritte Rechtsordnung weiter (renvoi au second degre). Das ausländische Recht ist bei dieser Verweisung nach eigenen Maßstäben anzuwenden.
Um den internationalen Entscheidungseinklang zwischen den zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen herzustellen, muss das Verweisungsergebnis der ausländischen Kollisionsnorm grundsätzlich uneingeschränkt anerkannt werden.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die uneingeschränkte Beachtung dieses Verweisungsergebnisses einer ausländischen IPR-Norm in der Praxis nicht in jedem Fall durchführbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn keine der berufenen Rechtsordnungen die Verweisung annimmt, sondern ihrerseits eine Gesamtverweisung auf die Rechtsordnung eines anderen Staates ausspricht: Spricht die ausländische IPR-Norm eine Gesamtverweisung zurück auf das IPR des Gerichtsortes oder weiter auf das IPR eines dritten Staates aus, das seinerseits im Rahmen einer Gesamtverweisung auf das IPR eines zweiten Staates zurück- oder eines vierten Staates weiterverweist, dessen Rechtsordnung ebenfalls nicht annimmt, wird zwischen verschiedenen Rechtsordnungen hin- und herverwiesen, ohne so zur Anwendung eines Sachrechts zu kommen. Internationaler Entscheidungseinklang lässt sich dann nicht mehr erzielen. Um schließlich doch zur Anwendung eines Sachrechts zu kommen, muss daher das Verweisungsergebnis einer Rechtsordnung ignoriert und die Verweisungskette abgebrochen werden.
Einige rechtsordnungen (z.B. Griechenland, Spanien, Dänemark, Norwegen, einige Staaten der USA) beachten den renvoi gar nicht und sprechen grundsätzlich nur Sachnormverweisungen aus.

B. Ausnahme: Sachnormverweisung

Daneben wird aber auch im deutschen Recht in einigen Bereichen direkt auf die anzuwendenden Sachnormen verwiesen (vgl. Art. 3 a Abs. 1 EGBGB):
Teilweise wird dieses bereits durch den Wortlaut der Vorschriften verdeutlicht (z.B. Art. 20 Rom I-VO, Art. 24 Rom II-VO, Art. 12 HUntProt). Auch Kollisionsnormen, die auf internationalen Abkommen beruhen, verweisen allein auf das Sachrecht, da sonst die durch sie erstrebte Vereinheitlichung verloren ginge. Eine Rechtswahl der Parteien muss grds. so verstanden werden, dass nur die Wahl der jeweiligen Sachnorm gemeint ist, vgl. Art. 4 Abs. 2 EGBGB.

Eine weitere Ausnahme i.S.d. Art. 4 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. EGBGB bilden die Kollisionsnormen mit alternativen Anknüpfungsmöglichkeiten. Durch das mögliche Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen wird eine Erleichterung angestrebt. Diese wäre nicht erreichbar, wenn die verschiedenen berufenen Rechtsordnungen in ihrem IPR letztendlich doch wieder nur zu einer einzig möglichen Rechtsordnung führen würden. In diesen Bereichen findet folglich zwingend kein renvoi statt.


C. Verweisung auf das Recht von Mehrrechtsstaaten (Rechtsspaltung, Unteranknüpfung)

Einige Staaten sind in ihrem Recht gespalten. In ihnen gilt keine einheitliche Privatrechtsordnung, sondern für unterschiedliche Gebiete oder Personalgruppen ist unterschiedliches Recht anzuwenden (z.B. USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Spanien, Israel). Die Verweisung des deutschen IPR muss hier gegebenenfalls durch eine Unteranknüpfung gemäß Art. 4 Abs. 3 EGBGB ergänzt werden.

D. Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut

Im deutschen Kollisionsrecht werden Vermögensmassen regelmäßig einheitlich insgesamt an eine bestimmte Rechtsordnung angeknüpft. Andere Rechtsordnungen machen jedoch im Familien- und Erbrecht Unterschiede danach, wo sich einzelne Gegenstände des Vermögens befinden. Die häufigste Unterteilung ist die zwischen dem beweglichen und dem unbeweglichen Vermögen. In Frankreich, den USA, Großbritannien und Belgien wird unbewegliches Vermögen z.B. immer gesondert vom beweglichen Vermögen an das Sachenrecht, die lex rei sitae, angeknüpft.



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