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Der gescheiterte Vertrag - Lösungsvorschlag


Anspruch des A gegen B auf Zahlung von 700.000,- € aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB

A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 700.000,- € aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB wegen der Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis haben. Erforderlich dazu sind ein Schuldverhältnis, eine schuldhafte Pflichtverletzung durch B und der Eintritt eines kausalen Schadens.


I. wirksames Schuldverhältnis

Zunächst müsste ein Schuldverhältnis zw. A und B vorliegen. Es könnte sich hier um ein vertragliches
oder ein vorvertragliches Schuldverhältnis handeln.


1. vertragliches Schuldverhältnis

Es könnte sich um ein vertragliches Schuldverhältnis handeln.

Ein vertragliches Schuldverhältnis liegt vor, wenn die beteiligten Parteien miteinander einen Vertrag
geschlossen haben. Im vorliegenden Beispiel verhandeln A und B über den Abschluss eines Vertrages
zur Errichtung einer schlüsselfertigen Anlage. Die Verhandlungen sind zwar weit fortgeschritten, eine
Einigung über den Preis fehlt allerdings noch. Es wurde somit noch kein Vertrag geschlossen.

Somit liegt kein vertragliches Schuldverhältnis vor.


2. vorvertragliches Schuldverhältnis

Fraglich ist jedoch, ob es sich hier eventuell um ein wirksames vorvertragliches Schuldverhältnis handelt.

Nach § 311 II BGB können Nebenpflichten auch dann entstehen, wenn kein Vertrag zustande kommt.
Ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis kann durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen
(§ 311 II Nr.1 BGB), durch die Anbahnung eines Vertrags (§ 311 II Nr. 2 BGB) oder durch ähnliche
geschäftliche Kontakte (§ 311 II Nr. 3 BGB) entstehen.


a. Vertragsverhandlungen, § 311 II Nr. 1 BGB

Zwischen A und B könnte ein wirksames vorvertragliches Schuldverhältnis durch die Aufnahme
von Vertragsverhandlungen gem. § 311 II Nr. 1 BGB entstanden sein.

Dem Sachverhalt entnimmt man, dass A und B über den Abschluss eines Vertrages zur Errichtung einer
schlüsselfertigen Anlage verhandeln. Diese Verhandlungen sind schon weit fortgeschritten. Nur noch die
Einigung über den Preis fehlt.

Somit liegt die Aufnahme von Vertragsverhandlungen gem. § 311 II Nr. 1 BGB vor.


b. Zwischenergebnis

Ein wirksames vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.d. § 311 II BGB ist entstanden.


3. Zwischenergebnis

Ein wirksames Schuldverhältnis zwischen A und B ist zu bejahen.


II. Pflichtverletzung


Desweiteren müsste B eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben.

Wie bereits festgestellt, liegt ein vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 II Nr. 1 BGB vor. Aus diesem
resultieren bestimmte Pflichten i.S.d. § 241 II BGB. Gemäß § 241 II BGB sind die Parteien zur Rücksichtnahme
auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Aus diesem Gebot der gegenseitigen
Rücksichtnahme im Verkehr folgen Sorgfaltspflichten. Dazu gehört auch, dass die Vertragsverhandlungen seitens
irgendeiner Partei nicht grundlos, also ohne jeglichen triftigen Grund oder aus sachfremden Erwägungen, abgebrochen
werden dürfen, wenn zuvor das Vertrauen des anderen Teils erweckt wurde, dass der Vertrag mit Sicherheit zustande
kommt.

Eine weitere aus dem § 241 II BGB resultierende Pflicht ist die Informationspflicht, also die Pflicht, den anderen über
sämtliche Umstände aufzuklären, die für dessen Entschluss, den Vertrag abzuschließen, von besonderer Bedeutung
sind.

A und B haben schon fast alle Teile des Vertrages ausgehandelt. Die Vereinbarung über den Preis fehlt noch. A
verlangt einen Preis von 6,8 Mio. €, während B nicht mehr als 6,3 Mio. € zahlen möchte. Dem
Sachverhalt entnimmt man ebenfalls, dass B sehr an dem baldigen Beginn mit dem Bau der Anlage interessiert ist und
den A bedrängt. Er fordert A auf, wenigstens den Vertrag mit den Zulieferern abzuschließen und die Materialien zu
bestellen, was A auch tut. Es entsteht eindeutig der Anschein, dass ein Vertragsschluss seitens des B erwünscht ist
und dem nichts im Weg steht. Trotzdem schließt er den Vertrag mit C ab, der einen Preis von 5,9 Mio. €
akzeptiert hat.

B hat den Vertrag mit A nicht abgeschlossen und somit das Vertrauen des A missbraucht. A hat darauf vertraut, dass
der Vertrag mit Sicherheit zustande kommen wird. Dieses Vertrauen wurde durch das bisherige Verhalten des B,
insbesondere durch die Aufforderung, schon Bestellungen nach außen auszulösen, hervorgerufen. Außerdem hat B
dem A nicht rechtzeitig Klarheit darüber verschafft, dass er den Vertrag mit diesem Inhalt nicht abschließen möchte.
Hätte B den A rechtzeitig informiert, dass er ein besseres Angebot von C erhalten hat und den Vertrag demzufolge
lieber mit ihm abschließen möchte, wäre es nicht zu dem Vertrauensaufbau des A und somit nicht zu einem Vertrag
mit den Zulieferern seitens des A gekommen.

Die Pflichtverletzung des B liegt also darin, dass er bei A das Vertrauen auf einen Vertragsschluss hervorgerufen hat
und diesen Vertrag dann nicht mit A abgeschlossen hat, sondern mit C, ohne den A davon vorher rechtzeitig in
Kenntnis zu setzen.


Eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I 1 BGB liegt vor.


III. Verschulden


Zusätzlich müsste B seine Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Dies ist der Fall, wenn B i.S.d. § 276 I, II BGB
schuldhaft gehandelt hat. Nach § 276 I BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Grundsätzlich
wird das Verschulden allerdings vermutet nach § 280 I 2 BGB. Die Beweislast trägt hierbei der Schuldner, das heißt er
muss deutlich machen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat bzw. dass keine Rechtfertigungsgründe für
sein Verhalten vorliegen.


1. Vorsatz, § 276 I BGB

B könnte vorsätzlich die Pflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verletzt haben.

Vorsätzlich handelt derjenige, der mit Wissen und Wollen die rechtswidrigen Folgen herbeiführen möchte.

Laut Sachverhalt wollte B so schnell wie möglich mit dem Bau der Anlage beginnen. Er forderte A sogar auf,
Verträge mit Zulieferern abzuschließen und Materialien zu bestellen. Dem entnimmt man, dass B nicht von
Anfang an die Absicht hatte, das Vertrauen des A zu missbrauchen und die Vertragsverhandlungen abzubrechen.


Somit liegt kein Vorsatz seitens des B vor.


2. Fährlässigkeit, § 276 I, II BGB


B könnte jedoch fahrlässig gehandelt haben.

Fahrlässig handelt gem. § 276 II BGB derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

B strebte den schnellstmöglichen Vertragsschluss mit A an und forderte ihn auf, Verträge mit den Zulieferern
abzuschließen und Materialien zu bestellen. Danach begegnete er C, der ihm ein preislich besseres Angebot
machte. Zu diesem Zeitpunkt hat der A aber bereits die Forderungen des B erfüllt und Verträge mit den
Zulieferern über 700.000,- € abgeschlossen.

B hat den A nicht rechtzeitig darüber informiert, dass er den Vertrag nicht mehr abschließen möchte.Stattdessen
hat er bei A schuldhaft das Vertrauen geweckt und genährt, dass der Vertrag mit Sicherheit zustande kommen
wird. B hat die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen. Mit diesem Verhalten gegenüber A hat
B gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen. Er hätte zumindest damit rechnen sollen, dass A sofort
auf seine Aufforderung reagiert und Verträge mit den Zulieferern schließt.


B handelt gemäß § 276 I, II BGB fahrlässig.


3. Zwischenergebnis

B hat seine Pflichtverletzung zu vertreten.


IV. Kausaler Schaden

A müsste durch die verschuldete Pflichtverletzung des B auch einen Schaden erlangt haben.

Der Schaden ist jede unfreiwillige Vermögenseinbuße gemessen an der Differenz vor und nach dem schädigenden
Ereignis. Dazu zählen auch Verletzungs- und Folgeschäden. Die Art und Umfang des Schadens definiert sich gem.
§ 249 I BGB so, dass der Schuldner den Zustand wiederherzustellen hat, der herrschen würde, wäre das schädigende
Ereignis nicht eingetreten.

A vertraut dem B und schließt einen Vertrag mit den Zulieferern über 700.000,- €. B weigert sich allerdings,
nach Vertragsverhandlungsabbruch für die von A verlangten Kosten aufzukommen. Hätte A nicht darauf vertraut, dass
B mit ihm den Vertrag abschließt, hätte er nicht die Verträge mit den Zulieferern abgeschlossen. A hat für
700.000,- € von Zulieferern Teile bezogen und bereits bezahlt. Diese Teile kann A nicht anderweitig verwerten.

Es entsteht für A eine Vermögenseinbuße i.H.v. 700.000,- € durch die Erfüllung der Kaufverträge und somit ein
Vermögensschaden.

B verursacht bei A durch seine Pflichtverletzung also einen kausalen Schaden i.H.v. 700.000,- €.


V. Ergebnis

A hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 700.000,- € aus §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB.
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