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Fall: Verseuchtes Futtermittel


A. Sachverhalt
Landlieb (L) züchtet auf seiner Farm Hühner in Freilandhaltung. Die Hühner werden teilweise mit Getreide gefüttert. L bezieht das für die Hühnermast (mit Vitaminen etc.) aufbereitete Getreide bereits seit Jahren über den Händler Deal (D) vom Futtermittelhersteller Schussel (S). Bei der letzten Lieferung kam es bei S aus ungeklärten Gründen zu einer gravierenden Verwechslung von Getreidesorten. Der Weizen, der für eine Saat aufbereitet wurde und mit Pflanzenschutzmitteln behandelt war, gelangte in beachtlichen Mengen in das Hühnerfutter. Der so behandelte Weizen ist für Hühner giftig.

Infolge des Fehlers verenden mehrere hundert Hühner bei L. Der Schaden beläuft sich auf insgesamt 5.000,- EUR. Die Ursache der Verwechslung kann nicht geklärt werden. Es ist insbesondere nicht feststellbar, inwiefern den S bei der Verwechslung ein Verschulden trifft. Dennoch verlangt L von S Ersatz des Schadens.

B. Frage
Hat L gegen S Anspruch auf Schadensersatz?


Lösungshinweise


C. Anspruch L gegen S gem. § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG
Dieser Anspruch könnte dem Grunde nach erworben sein. Dafür ist erforderlich, dass
  • der Tatbestand des Produkthaftungsgesetzes erfüllt und
  • die Haftung gem. § 1 Abs. 2 und 3 ProdhaftG nicht ausgeschlossen ist.

1. Tatbestand des ProdhaftG
Es könnten die Voraussetzungen für die Haftung für einen Schaden durch ein Produkt erfüllt sein. Dies ist dann der Fall, wenn ein fehlerhaftes Produkt zu einer Rechtsgutverletzung geführt hat und zwischen dem Fehler und der Rechtsgutverletzung ein kausaler Zusammenhang besteht. Weiterhin müsste S Hersteller nach § 4 ProdhaftG sein und L müsste Geschädigter sein.

a. fehlerhaftes Produkt
Hier könnte ein fehlerhaftes Produkt vorliegen. Hierfür ist erforderlich, dass es sich bei dem Getreide um ein Produkt i. S. d. § 2 ProdhaftG handelt und dieses einen Fehler gem. § 3 ProdhaftG aufweist.

Es könnte ein Produkt i. S. d. § § 2 ProdhaftG vorliegen. Gemäß dieser Vorschrift werden als Produkte nur bewegliche Sachen erfasst. Für den Sachbegriff ist auf § 90 BGB zu verweisen. Nach dem Sachverhalt handelt es sich um Getreide, also um eine bewegliche Sache. Ein Produkt i. S. d. § 2 liegt vor.

Weiterhin müsste dieses Getreide nach § 3 ProdhaftG fehlerhaft sein. Dies ist dann der Fall, wenn das Getreide nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, im Hinblick auf ihre Darbietung, den normalen Gebrauch, wegen dem zum betroffenen Zeitpunkt herrschenden Stand der Wissenschaft oder wegen eines anderen Grundes berechtigterweise erwartet werden kann.
Bei S kam es zu einer Verwechselung der Getreidesorten, wodurch der Weizen im Futter für Hühner giftig ist. Giftiges Futter bietet nicht zumindest hinsichtlich des normalen Gebrauchs (Fütterung von Hühnern) die zu erwartende Sicherheit, so dass ein fehlerhaftes Produkt vorliegt.

b. Rechtsgutverletzung gem. § 1 Abs. 1 ProdhaftG
Es müsste eine Rechtsgutverletzung i. S. d. § 1 ProdHaftG vorliegen. Zu den gem. § 1 geschützten Rechtsgütern gehören Leben, Körper, Gesundheit und (private) Sachen.
In diesem Fall könnte eine Sache des L durch das fehlerhafte Produkt beschädigt worden sein. Hierzu ist erforderlich, dass eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wurde und diese Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt ist und L die Sache hierzu hauptsächlich verwendet § 1 Abs. 1 S. 2 ProdhaftG.
Nach dem Sachverhalt verenden aufgrund der Verwechselung von Getreidesorten bei L mehrere hundert Hühner. Diese Hühner sind jedoch nicht für den privaten Gebrauch bestimmt, sondern werden im Rahmen des von L betriebenen Gewerbes gehalten. Dieser Schaden wird nicht gem. § 1 ProdHG ersetzt.

2. Ergebnis:
L hat keinen Anspruch gegen S gem. § 1 Abs. 1 ProdhaftG.


Anmerkung:
Aufgrund des § 15 Abs. 2 ProdhaftG, welcher die Haftung nach anderen Vorschriften unberührt lässt, kommt neben dem Anspruch aus dem Produkthaftungsgesetz (Gefährdungshaftung) auch ein Anspruch aus der Verschuldenshaftung gem. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.
 


D. Anspruch L gegen S nach § 823 Abs. 1 BGB
Dieser Anspruch könnte dem Grund nach erworben sein. Dafür ist erforderlich, dass:
  • Tatbestand des § 823 Abs.1 BGB erfüllt ist,
  • Handlung des S rechtswidrig war,
  • S schuldhaft handelte.

1. Tatbestand
Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB ist erfüllt, wenn eine Handlung seitens S vorliegt, diese zu einer Rechtsgutsverletzung bei L geführt hat und der Zusammenhang zwischen der Handlung und der Rechtsgutsverletzung kausal war.

a. Handlung seitens S
Eine Handlung ist jedes menschliche Verhalten (positives Tun oder Unterlassen), welches willentlich erfolgt. Dem S kann nicht vorgeworfen werden, dass er das Futter (aktiv) vergiftet hat. Ein positives Tun ist demzufolge auszuschließen.
Es ist allerdings denkbar, dass er durch ein Unterlassen die Giftigkeit nicht verhindert hat. Ein Unterlassen kann positivem Tun gleichgestellt werden, wenn den S eine Pflicht zum Handeln traf und er dieses Handeln unterließ. Es ist davon auszugehen, dass S als Hersteller zur Vermeidung von Konstruktions- oder Fabrikations- oder Instruktionsfehler sowie zur Produktbeobachtung verpflichtet ist. Hat er diese Pflicht missachtet, dann liegt ein Unterlassen vor, das zur Erfüllung des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB führen kann.
Nach dem Sachverhalt kommt es beim Futtermittelhersteller S zu einer Verwechselung. Durch diese Verwechselung gelangen beträchtliche Mengen von dem Weizen, welcher für eine Saat aufbereitet wurde und mit Pflanzenschutzmittel behandelt war, in das Hühnerfutter, so dass dieses für Hühner giftig ist. Dies hätte durch angemessene Untersuchungen oder Gegenmaßnahmen verhindert werden können. Im Sachverhalt ist davon keine Rede. Insofern hat S keine Handlungen unternommen, die im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten des S zu erwarten wären. Auf diese Weise wurde ein Fabrikationsfehler nicht verhindert, obwohl ein Hersteller einen solchen grundsätzlich zu verhindern hat.
Seitens S ist folglich eine Handlung durch Unterlassen gegeben.

b. Verletzung eines Rechtsguts i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB bei L
Im Falle von L könnte eine Eigentumsverletzung in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn L sein Eigentum verloren hat, das Eigentum beschädigt oder zerstört wurde etc. Nach dem Sachverhalt verenden mehrere hundert Hühner am giftigen Futter. Eine Substanzverletzung ist zu bejahen, Eigentumsverletzung liegt vor.

c. Haftungsbegründende Kausalität
Die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch S war auch kausal für die toten Hühner, also für die Rechtsgutverletzung bei L.

Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB ist gegeben.

2. Rechtswidrigkeit (Widerrechtlichkeit)
Handlung seitens S war nicht gerechtfertigt und erfolgte deshalb widerrechtlich.

3. Verschulden
Ein Verschulden seitens S liegt dann vor, wenn er die Tat nach § 276 BGB zu vertreten hat.
Laut Sachverhalt lässt sich nicht mehr feststellen, woran die Getreideverwechslung lag. Im Falle der Haftung für Verletzung von Verkehrssicherungspflichten - insbesondere der Pflichten eines Produktherstellers - nimmt die herrschende Meinung an, dass die Beweislast nicht den Anspruchsteller trifft, sondern den Produkthersteller (Beweislastumkehr). Da hier ein Fall eines Fabrikationsfehlers vorliegt und S nicht den entlastenden Nachweis erbracht hat, dass ihn nicht das Verschulden für die Verwechslung trifft, ist das Verschulden des S anzunehmen.

4. Ergebnis
Sofern S keinen Gegenbeweis erbringt, dass ihn keinerlei Verschulden hinsichtlich der Auslieferung des fehlerhaften Futtermittels trifft, hat L gegen ihn einen Anspruch auf Ersatz des infolge Vergiftung der Hühner entstandenen Schadens gem. § 823 Abs. 1 BGB.



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