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Fall: Nicht wirklich geschenkte Münzsammlung


A. Sachverhalt
Großzügig (G) möchte seinem 15-jährigen Neffen Behilflich (B) seine Dankbarkeit zeigen. B war häufig in den Sommerferien bei G zu Besuch und statt seine Zeit im Freibad zu verbringen oder in die Disco zu gehen hat er dem G in seinem großen Haus und Garten sehr viel geholfen. Deshalb bittet G seinen Angestellten Korrekt (K), dem in einer anderen Stadt lebenden B eine Sammlung historischer Münzen (geschätzter Wert 5.000,- EUR) zu überreichen und ihm auszurichten, dass dies ein Geschenk von G sei. B hat sich für die Münzensammlung bei seinen Aufenthalten bei G sehr interessiert.

K nimmt die Sammlung an sich und soll bei einem seiner Besuche in der Heimatstadt des B bei diesem vorbeischauen. Während dessen erfährt die Tante des B und Ehefrau des G von der Idee, B zu beschenken und ist entsetzt. Sie droht dem G, ihn zu verlassen, wenn er das Vermögen (auch wenn die Münzen ausschließlich dem G gehörten) so verschwendet und verlangt, dass G die Schenkung widerruft. G beugt sich dem Druck seiner Ehefrau und versucht den gerade auf Reise befindlichen K zu erreichen.

Da K sein Mobiltelefon gerade verloren hat, ist er nicht erreichbar. Den B kontaktiert G nicht. Kurze Zeit nach dem Versuch des G, das Geschenk zu widerrufen, kommt K bei B an und überreicht die Münzensammlung abredegemäß mit den Worten, dass dies ein Geschenk des G sei. B ist hocherfreut und nimmt das Geschenk an.

Die Ehefrau des G will sich damit jedoch nicht zufrieden geben und drängt G dazu, die Rückgabe der Münzensammlung zu verlangen. Sie behauptet, dass die Schenkung gar nicht zustande kam, weil sie gegen den Willen des G erfolgte und B auch gar nicht rechtlich gültig sie annehmen konnte.

B. Frage
Ist die Schenkung für G verbindlich?

C. Lösungsskizze
Vgl. auch diesen, ähnlichen Fall

Die Schenkung des G ist verbindlich, wenn zwischen G und B ein wirksamer Schenkungsvertrag gem. § 516 Abs. 1 BGB besteht. Dies ist dann der Fall, wenn G mit B einen Vertrag geschlossen hat, dieser Vertrag inhaltlich einen Schenkungsvertrag darstellt und er auch wirksam ist.

1. Vertragsschluss
Zwischen G und B könnte ein Vertrag geschlossen worden sein - durch Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB:

a. Angebot seitens G
Voraussetzungen sind, dass G:
      • eine Willenserklärung abgegeben hat, die inhaltlich einen Antrag (ein Angebot) darstellt - "ich will, dass B die Münzensammlung bekommt" (+)
      • die Willenserklärung dem B gegenüber abgegeben hat (empfangsbedürftige WE) - persönlich (-) - durch Dritte?
        • K als Vertreter? - keine eigene WE, sondern die des G lediglich überbracht - Vertretung (-)
        • Bote? die WE wurde durch K übermittelt (+)
      • die Willenserklärung müsste dem B auch zugegangen sein
        • prinzipiell schon - durch Übermittlung durch K (+)
        • aber: nicht vorher widerrufen? (§ 130 I 2 BGB)
Prüfungsschwerpunkt 1: G hat seinen Entschluss widerrufen, jedoch weder den K rechtzeitig erreicht noch den B; ein späterer Widerruf kann die WE vor Zugang und damit am Wirksamwerden nicht hindern.
also: kein Widerruf (+)
        • konnte die Willenserklärung dem 15-jährigen B wirksam zugehen - Problem des § 131 BGB - wegen § 131 II 2 BGB OK? (+)

Angebot des G (+)

b. Annahme durch B
Sollte am Zugang der Annahmeerklärung gezweifelt werden, dann gilt § 151 BGB.
B nimmt laut Sachverhalt das Geschenk an (+).

c. Annahmefähigkeit (Rechtzeitigkeit) der Annahme, Übereinstimmung
Die Regeln der §§ 146 ff. BGB wurden eingehalten - die gewöhnliche Zeit noch nicht abgelaufen, der K sollte bei Gelegenheit den B aufsuchen.
mit der Schenkung seitens G war B einverstanden - auch Übereinstimmung (+)

d. Zwischenergebnis
Vertragsschluss (+)

2. Vertragsinhalt - Schenkung (+)

3. Wirksamkeit
Als Wirksamkeitshindernis kommt § 108 BGB in Betracht - Prüfungsschwerpunkt 2.

a. Personenkreis der beschränkt Geschäftsfähigen
mit 15 Jahren ist B gem. § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig (+)

b. Rechtsgeschäft des B nach Maßgabe der §§ 107 ff. BGB wirksam?

      • Geschäft i. S. d. §§ 112, 113 BGB (-)
      • Einwilligung (§ 107 BGB) oder Genehmigung (§ 108 BGB) des gesetzlichen Vertreters? (-)
      • lediglich rechtlicher Vorteil?
Die Schenkung verpflichtet den B zu gar nichts, insbesondere keine Auflagen oder problematische, aus der Schenkung erwachsende Rechtspflichten. Dafür erhält B Eigentum an einer wertvollen Münzensammlung. Lediglich rechtlicher Vorteil (+).

c. Formmangel?
Es ist auch an Wirksamkeitshindernis des Formmangels gem. § 518 I BGB zu denken, das gem. § 125 BGB zur Nichtigkeit führen kann. Wird allerdings das Formerfordernis des § 518 I BGB missachtet, wird es im Falle der Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt. Die Schenkung wurde im vorliegenden Fall vollzogen, insofern ist der Formmangel gem. § 518 II BGB geheilt.

d. Zwischenergebnis
Wirksamkeit (+)

Es ist denkbar, dass G die Schenkung zurückfordert (§ 528 Abs. 1 BGB) oder widerruft (§ 530 BGB). Dies sind allerdings keine zwingenden Prüfungspunkte im Hinblick auf die eng gefasste Fragestellung und sie gehören nicht direkt zum Prüfungsstoff. Deshalb sind diese Punkte positiv zu bewerten, wenn sie erkannt wurden.

Mögliche (aber nicht zwingend notwendige) Prüfung:
      • Rückforderung gem. § 528 BGB - keine Indizien für Verarmung des G, auch seiner Ehefrau fehlt nichts.
      • Widerruf gem. § 530 BGB - keine Indizien für groben Undank.


D. Musterlösung
Die Schenkung könnte für G verbindlich sein, wenn zwischen G und B ein wirksamer Schenkungsvertrag i. S. d. § 516 BGB vorliegt. Dafür muss der Vertrag geschlossen werden und wirksam sein.

1. Vertragsschluss
Es könnte ein Vertrag gemäß §§ 145 ff. BGB geschlossen worden sein. Dafür müssten zwei übereinstimmende Willenserklärungen, d. h. Angebot und Annahme, vorliegen.

a. Angebot (Antrag) i. S. d. § 145 BGB
Hier könnte G ein Angebot gegenüber B abgegeben haben. Dafür müsste G eine Willenserklärung mit dem Inhalt eines Angebotes abgegeben haben und diese Willenserklärung müsste dem Adressaten (B) zugegangen sein (§ 130 Abs. 1 BGB).

Willenserklärung mit Inhalt Angebot
Im vorliegenden Fall bittet G seinen Angestellten K, dem B eine Münzsammlung als Geschenk zu überbringen. Damit bringt G seinen Willen zum Ausdruck, dass er dem B die Münzsammlung schenken möchte. Damit liegt eine Willenserklärung vor.
Mit der Übergabe der Münzsammlung an K hat G erklärt, dass B diese schenkweise erhalten soll. Somit liegt inhaltlich ein Angebot eines Schenkungsvertrages vor.

Abgabe
G hat die Erklärung nicht persönlich gegenüber B abgegeben.
Die Abgabe der Willenserklärung könnte hier allerdings über den Boten (K) erfolgt sein. Dafür müsste G einen Boten eingeschaltet haben, über den er eine eigene Erklärung so auf den Weg gebracht hat, dass mit Zugang zu rechnen war.

G hat den K gebeten, seinen Willen zu übermitteln. Damit soll K keine eigene Willenserklärung abgeben, sondern überbringt lediglich diejenige des G. G hat im vorliegenden Fall den K als Boten eingeschaltet. Zwischen G und K war ferner abgemacht, dass K die Münzsammlung bei Gelegenheit dem B gibt. Also ist die Erklärung des G so auf den Weg gebracht worden, dass sie bei B zugehen konnte. Es ist somit festzuhalten, dass G die Willenserklärung über K abgegeben hat.

Zugang
Die Willenserklärung könnte dem B zugegangen sein. Dafür müsste die Erklärung des G in den Machtbereich des B gelangt sein, so dass B hiervon Kenntnis erlangen konnte. Ferner dürfte kein Widerruf der Erklärung seitens G erfolgt sein, § 130 I 2 BGB.

Laut Sachverhalt kommt K bei B an und überreicht ihm die Münzsammlung mit den Worten, dass dies ein Geschenk von G sei. Deshalb ist die Erklärung des G in den Machtbereich des B gelangt, so dass er von dieser Kenntnis nehmen konnte.

Es könnte allerdings ein Widerruf seitens G vorliegen. Dafür müsste G gem. § 130 I 2 BGB gegenüber B zum Ausdruck bringen, dass er die Schenkung nicht mehr will und dies müsste dem B vor oder gleichzeitig mit dem Zugang des Angebotes zukommen.
Die Ehefrau überredet den G dazu, von der Schenkung Abstand zu nehmen. Deshalb versuchte G, den K zurückzuholen, was ihm allerdings nicht gelang. Aus dem Sachverhalt ist nicht ersichtlich, dass G den B im Ergebnis überhaupt kontaktiert hat. Jedenfalls ist dem B zumindest vor Empfang der Münzsammlung kein Widerruf zugegangen und damit auch nicht vor Zugang des Schenkungsangebotes.
Deshalb liegt kein Widerruf der Willenserklärung i. S. d. § 130 I 2 BGB vor, die geänderte Absicht des G spielt für das Schicksal des Rechtsgeschäftes keine Rolle.

Das Angebot des G könnte allerdings wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit des B nicht zustande gekommen sein, § 131 II BGB. Dafür müsste B beschränkt geschäftsfähig sein, das Angebot des G dürfte ihm keinen lediglich rechtlichen Vorteil bringen und er dürfte keine Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters haben.

B ist 15 Jahre alt und damit beschränkt geschäftsfähig. Der Zugang des Schenkungsangebotes bringt ihm jedoch keinerlei Nachteile - ungeachtet der Schenkung selbst kann B das Angebot annehmen oder ablehnen, so dass ihm das Angebot allein (egal, auf welchen Vertrag bezogen) nur Vorteile bietet. Damit steht die beschränkte Geschäftsfähigkeit des B dem Zustandekommen des Angebotes und dem Zugang bei B nicht im Wege.

Das Angebot des G ist dem B zugegangen.

Zwischenergebnis
Ein Angebot des G zum Abschluss eines Schenkungsvertrages liegt vor.


b. Annahme
B müsste das Angebot des G angenommen haben. Hierfür müsste B normalerweise eine gültige Willenserklärung abgeben, mit dem Inhalt einer Annahme und diese müsste dem G zugegangen sein.

Annahme durch Willenserklärung
Zunächst könnte hier eine Willenserklärung des B vorliegen. B ist über das Geschenk des G erfreut und nimmt es an. Damit äußert er zumindest konkludent seinen Willen, die Schenkung zu akzeptieren. Damit hat B eine Willenserklärung geäußert.

B hat das Geschenk angenommen, womit er auch vom Inhalt her erklärt, dass er das Angebot des G annimmt.
Dabei bringt B die Annahme der Schenkung gegenüber dem Boten des G, dem K, zum Ausdruck. Damit hat er die Willenserklärung abgegeben.

Problematisch ist allerdings, ob die Annahme dem G zugegangen ist. Aus dem Sachverhalt ist nicht zu erkennen, ob und wann G von der Annahme des Geschenkes durch B erfahren hat. Damit kann nicht geklärt werden, inwiefern die Annahme seitens B i. S. d. § 130 I BGB zugegangen ist.

Annahme gem. § 151 BGB
Die Annahme des Antrags könnte aber gem. § 151 BGB erfolgt sein. Dafür müsste G auf Annahmeerklärung seitens B verzichtet haben und B müsste eine Annahmehandlung vollzogen haben.
G gibt das Geschenk an K mit der Bitte, es B zu übergeben. Damit erwartet er keine Antwort von B und geht davon aus, dass die Schenkung mit Übergabe des Gegenstandes vollzogen ist. Deshalb verzichtet G auf eine Annahmeerklärung seitens B. B ist auch über das Geschenk hocherfreut und nimmt es an. Dies bedeutet, dass er die Schenkung in jedem Fall annimmt, darin ist eine Annahmehandlung i. S. d § 151 S. 1 BGB zu sehen.

Zwischenergebnis zur Annahme
Somit ist der Antrag gem. § 151 BGB angenommen.

c. Übereinstimmung
Das Angebot des G und die Reaktion des B stimmen vom Erklärungswert miteinander überein. Der für den Vertragsschluss notwendige Konsens ist damit gegeben.

d. Ergebnis zum Vertragsschluss
G und B haben einen Vertrag geschlossen.

2. Wirksamkeit
Der Schenkungsvertrag müsste auch wirksam sein. Es dürften keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der Vertrag nicht wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit oder wegen der Formvorschrift des § 518 BGB unwirksam ist.

a. Beschränkte Geschäftsfähigkeit
Die Schenkung könnte wegen des Alters des B unwirksam sein. Dies wäre dann der Fall, wenn B beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 106 BGB ist und das von ihm vorgenommene Rechtsgeschäft nicht ausnahmsweise gem. §§ 107 BGB ff. wirksam ist.

B ist 15 Jahre alt und damit hat er das 7. Jahr vollendet und ist noch nicht volljährig gem. § 2 BGB. B ist beschränkt geschäftsfähig gem. § 106 BGB.

Die Schenkung könnte allerdings gem. § 107 BGB wirksam sein. Dies ist dann der Fall, wenn B entweder durch die Schenkung lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt hat oder sein gesetzlicher Vertreter dem Geschäft vorher zugestimmt hat (Einwilligung). Dabei könnte die Schenkung einen lediglich rechtlichen Vorteil darstellen.
Ein lediglich rechtlicher Vorteil ist gegeben, wenn einer Vertragspartei aus dem Geschäft direkt keinerlei rechtliche Verpflichtungen erwachsen. Die Schenkung ist zwar ein verpflichtender Vertrag. Aus diesem erwachsen dem Beschenkten allerdings keine Verpflichtungen. Damit ist der Empfang der Schenkung für B im vorliegenden Fall lediglich rechtlich vorteilhaft.

Der Vertrag ist trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit des B wirksam.

b. Formmangel
Die Schenkung könnte gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam sein. Dafür müsste für die Schenkung eine besondere Form des Vertrages vorgesehen, diese Form dürfte nicht eingehalten worden und sie müsste auch beachtlich sein.

Gem. § 518 Abs. 1 BGB bedarf ein Schenkungsversprechen einer notariellen Beurkundung. Diese Beurkundung wurde im vorliegenden Fall nicht vorgenommen. Allerdings ist die Formvorschrift des § 518 Abs. 1 BGB nicht beachtlich, wenn die versprochene Leistung bewirkt wurde, § 518 Abs. 2 BGB.
B erhielt von K direkt nach Abschluss des Schenkungsvertrages den Gegenstand der Schenkung. Damit ist die Leistung in diesem Augenblick bewirkt. Deshalb ist die Schenkung auch wirksam.

c. Ergebnis zur Wirksamkeit
Der Vertrag ist weder nach § 106 ff. BGB noch nach § 125 S. 1 BGB nichtig.

3. §§ 528 und 530 BGB
Gegen die Verbindlichkeit der Schenkung könnten noch §§ 528 bzw. 530 BGB sprechen. Es liegt jedoch weder eine Verarmung des Schenkers noch hat B gegenüber G (und auch nicht gegenüber dessen Familienangehörigen) etwas falsches getan. Demzufolge ist ein Widerruf der Schenkung gemäß diesen Regelungen nicht möglich.

4. Ergebnis
Die Schenkung ist verbindlich



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