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aktuelles Dokument: FallComicfigur
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Fallbeispiel 4 - Comicfiguren


Geschäftsfähigkeit

A. Sachverhalt

Der neunjährige Klaus (K) ist großer Fan der Action-Serie „Killer-Heros“.
Als er auf dem Heimweg von der Schule in einem Spielzeugladen eine streng limitierte Auflage der Figuren seiner Comic-Helden zum Kaufpreis von 29,99 € sieht, ist er hellauf begeistert. Da er auf jeden Fall verhindern möchte, dass ihm jemand diesen „Schatz“ wegschnappt, beschließt er die Figuren sofort mit nach Hause zu nehmen. Bezahlen möchte K diese mit seinem Taschengeld. Da er an diesem Tag kein Geld mit sich hat, erklärt er dem Verkäufer (V), dass er die 29,99 € am nächsten Tag vorbei bringen werde. V zeigt sich einverstanden. Am nächsten Tag macht sich K auf den Weg, um die Figuren bei V zu bezahlen. Unterwegs trifft er jedoch auf seinen Freund (F), der ihn stattdessen zu einem gemeinsamen Fernsehnachmittag überredet. Als er am Abend nach Hause kommt, hat K die ausstehende Zahlung an V völlig vergessen. Als K nichts mehr von sich hören lässt, wendet sich V an dessen Eltern. Diese erklären dem V, dass sie die Begeisterung ihres Sohnes für die Serie „Killer-Heros“ nicht teilen und daher mit dem Kauf der Figuren nicht einverstanden sind. Sie versprechen dem V dafür zu sorgen, dass K ihm die Figuren zurückgibt.
V ist über das Verhalten der Eltern empört – schließlich hätte K doch das Taschengeld von ihnen bekommen. V möchte nicht die Figuren zurück, sondern den Kaufpreis.


Fallabwandlung 1

K ist 5 Jahre alt.


Fallabwandlung 2

K ist 17 Jahre alt. Als er den Kaufpreis nicht wie vereinbart am nächsten Tag vorbei bringt und V sich an dessen Eltern wenden möchte, sind diese verreist. K möchte die Figuren noch immer unbedingt behalten, in 4 Tagen hat er Geburtstag.
Was kann V tun um an sein Geld zu kommen?


B. Frage

Hat V einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 29,99 € gegenüber K?


1. Lösungsskizze

Hat V einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 29,99 € gegenüber K?
Voraussetzung: Anspruch erworben, nicht verloren, durchsetzbar

A. Anspruch erworben?
Vor.: zwischen K und V Vertrag geschlossen, inhaltlich KV i.S.d. § 433 BGB und dieser wirksam


I. Vertragsschluss (+)
Vor.: zwei übereinstimmende WE
Hier: K und V hinsichtlich Kauf der Comicfigur zum Preis i.H.v. 29,99 €

II. Inhalt (+)
Hier: Vertrag stellt inhaltlich KV i.S.d. § 433 BGB dar


III. Wirksamkeit
P Fraglich ob Kaufvertrag wirksam ist
Unwirksam gem. § 108 Abs. 1 BGB?
Vor.: K gehört Personenkreis §§ 2, 106 BGB an und in §§ 107 ff. BGB keine Vorschrift, durch die Rechtsgeschäft wirksam wird


1. Beschränkte Geschäftsfähigkeit (+)
Hier: K 9 Jahre alt
Gehört Personenkreis §§ 2, 106 BGB an


2. Wirksamkeit gem. § 107 BGB
Vor.: lediglich rechtlicher Vorteil des K durch RG oder Eltern als gesetzl. Vertreter i.S.d. § 1629 Abs. 1 BGB Kauf eingewilligt haben


a) Lediglich rechtlicher Vorteil (-)
Vor.: Betroffenen entsteht aus Geschäft keinerlei rechtliche Verpflichtung (keine wirtschaftliche Betrachtung) (-)
Hier: Aus KV für K Pflicht zur Kaufpreiszahlung


b) Einwilligung der Eltern (-)
Hier: Eltern wissen nichts vom Kauf
Ausdrückliche Einwilligung (§ 183 BGB) liegt nicht vor


c) Wirksamkeit gem. 107 BGB (-)


3. Wirksamkeit gem. § 110 BGB (-)
Vor.: K vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, sie für diesen Zweck oder zur freien Verfügung von gesetzl. Vertreter o. mit dessen Zustimmung von Dritten überlassen wurden
Hier: K nimmt Comicfigur mit nach Hause ohne vereinbarten Kaufpreis zu zahlen
Bewirkung der vertragsmäßen Leistung (-)
Hier: Unerheblich, ob Mittel zur freien Verfügung


4. Wirksamkeit gem. § 108 BGB (-)
Vor.: nachträgliche Zustimmung (Genehmigung § 184 Abs .1 BGB) des gesetzl. Vertreters von K (-)
Hier: Erklärung der Eltern des K gegenüber V, dass mit Kauf nicht einverstanden


5. Wirksamkeit Kaufvertrag (-)


IV. Zwischenergebnis
Anspruch erworben (-)

B. Ergebnis
Anspruch V gegen K gem. § 433 Abs. 2 BGB (-)



2. Lösungsskizze Fallabwandlung 1


III. Wirksamkeit
P Fraglich ob Kaufvertrag wirksam ist
Unwirksam gem. § 105 Abs. 1 BGB?
Vor.: K gehört Personenkreis der Geschäftsunfähigen i.S.d. § 104 BGB an
Geschäftsunfähig gem. § 104 Nr. 1 BGB wer 7. Lebensjahr nicht vollendet hat
Hier: K 5 Jahre alt


IV. Zwischenergebnis
Anspruch erworben (-)

B. Ergebnis
Anspruch V gegen K gem. § 433 II BGB (-)



3. Lösungsskizze Fallabwandlung 2

III. Wirksamkeit
P Fraglich ob Kaufvertrag wirksam ist
Wirksamkeit gem. §§ 108 I i.V.m. III ?
Vor.: K unbeschränkt geschäftsfähig geworden
Gem. § 108 Abs. 3 BGB tritt Genehmigung Minderjährigen an Stelle seiner Eltern, wenn er unbeschränkt geschäftsfähig geworden ist
Gem. § 2 BGB Eintritt Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres
Hier:K wird in 4 Tagen 18 Jahre alt Genehmigung von K tritt dann gem. §§ 2, 108 III BGB an Stelle Genehmigung Eltern

V könnte warten bis K volljährig ist und er Kauf selbst genehmigen kann.



4. Formulierungsvorschlag

V könnte gegenüber K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben.
Voraussetzung hierfür ist, dass V den Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.


A. Anspruchserwerb
V könnte den Anspruch gegenüber K erworben haben.
Voraussetzung ist, dass zwischen K und V ein Vertrag geschlossen wurde, der inhaltlich ein Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB ist und dieser wirksam ist.

I. Vertragsschluss
Zunächst müsste zwischen K und V ein Vertrag geschlossen worden sein.
Voraussetzung für den Abschluss eines Vertrages ist das Vorliegen zweier übereinstimmender Willenserklärungen.
Laut Sachverhalt haben sich K und V hinsichtlich des Kaufs der Comicfiguren zum Preis von 29,99 € geeinigt.
Die Willenserklärungen stimmen überein.
Zwischen K und V wurde somit ein Vertrag geschlossen.

II. Inhalt
Der Vertrag stellt inhaltlich einen Kaufvertag i.S.d. § 433 BGB dar.

III. Wirksamkeit
Fraglich ist hier allerdings, ob der Kaufvertrag wirksam ist.
Der Kaufvertrag könnte im vorliegenden Fall gemäß § 108 Abs. 1 BGB unwirksam sein.
Voraussetzung hierfür ist, dass K dem Personenkreis der §§ 2, 106 BGB angehört und es in den §§ 107 ff BGB keine Vorschriften gibt, durch die das Rechtsgeschäft wirksam ist.

1. Beschränkte Geschäftsfähigkeit
Laut Sachverhalt ist K 9 Jahre alt. Er gehört damit dem Personenkreis der §§ 2, 106 BGB an, ist also in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt.

2. Wirksamkeit gemäß § 107 BGB
Die Wirksamkeit des Kaufvertrags könnte sich aus § 107 BGB ergeben.
Demnach wäre der Kaufvertrag wirksam, wenn dieses Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft für K wäre oder seine Eltern als gesetzliche Vertreter i.S.d.§ 1629 I BGB, in den Kauf eingewilligt hätten.

a) Lediglich rechtlicher Vorteil
Ein lediglich rechtlicher Vorteil liegt vor, wenn dem Betroffen aus dem Geschäft keinerlei rechtliche Verpflichtungen entstehen.
Dabei spielt die wirtschaftliche Betrachtung keine Rolle. Aus dem Kaufvertrag ergibt sich für K die Pflicht, den Kaufpreis zu zahlen.
Dadurch ist der lediglich rechtliche Vorteil nicht gegeben.

b) Einwilligung der Eltern
Laut Sachverhalt wissen die Eltern nichts von dem Kauf der Figuren. Ihre ausdrückliche Einwilligung (§ 183 BGB) zum Kauf liegt demnach nicht vor.

c) Der Vertrag ist nicht gem. § 107 BGB wirksam.

3. Wirksamkeit gemäß § 110 BGB
Der Kaufvertrag könnte gemäß § 110 BGB wirksam sein.
Voraussetzung hierfür ist, dass K die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von seinen gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen wurden.
Laut Sachverhalt nimmt K die Comicfiguren mit nach Hause, ohne den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen. Die vertragsmäße Leistung wurde von K somit nicht bewirkt.
Unerheblich ist daher, ob ihm die Mittel zur freien Verfügung von seinen Eltern überlassen worden sind.
Der Vertrag ist nicht gem. § 110 BGB wirksam.

4. Wirksamkeit gemäß § 108 Abs. 1 BGB
Der Kaufvertrag könnte gemäß § 108 I BGB durch nachträgliche Zustimmung (Genehmigung, § 184 I BGB) des gesetzlichen Vertreters des K wirksam geworden sein.
Laut Sachverhalt erklären die Eltern des K gegenüber V, dass sie mit dem Kauf der Figuren nicht einverstanden sind. Eine Genehmigung durch die Eltern i.S.d. § 184 I BGB liegt somit nicht vor.
Der Vertrag ist demnach auch nicht gemäß § 108 I BGB wirksam.

5. Der Kaufvertrag ist folglich nicht wirksam.

IV. Zwischenergebnis
V hat den Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 II BGB gegenüber K nicht erworben.

B. Ergebnis
V hat keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB.


5. Formulierungsvorschlag Fallabwandlung 1


III. Wirksamkeit
Der zwischen V und K geschlossene Kaufvertrag könnte hier gemäß § 105 I BGB unwirksam sein, wenn K dem Personenkreis der Geschäftsunfähigen (§ 104 BGB) angehört.
Geschäftsunfähig ist gemäß § 104 Nr. 1 BGB wer das siebente Lebensjahr nicht vollendet hat.
Laut Sachverhalt ist K 5 Jahre alt und damit also nach § 104 Nr. 1 BGB geschäftsunfähig.
Der Kaufvertrag ist folglich gemäß § 105 I BGB unwirksam.

IV. Zwischenergebnis
V hat den Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 II BGB gegenüber K nicht erworben.

B. Ergebnis
V hat somit keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 II BGB.


6. Formulierungsvorschlag Fallabwandlung 2

Der zwischen K und V geschlossene Kaufvertrag könnte gemäß §§ 108 I, i.V.m. III wirksam sein.
Gemäß § 108 Abs. 3 BGB tritt die Genehmigung des Minderjährigen an die Stelle seiner Eltern, wenn dieser unbeschränkt geschäftsfähig geworden ist.
Gemäß § 2 BGB tritt die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein.
Laut Sachverhalt wird K in 4 Tagen 18 Jahre alt. Seine Genehmigung (§ 184 I BGB) tritt dann gemäß §§ 2, 108 III BGB an die Stelle der Genehmigung seiner Eltern.
V könnte somit warten bis K volljährig ist und er den Kauf selbst genehmigen kann.




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