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Netzzugang gem. § 20 EnWG

Fallbeispiel

A. Sachverhalt
Die Stadtwerke Vetternhausen GmbH (S) betreiben in der Stadt Vetternhausen (V) ein Gaskraftwerk, aus dem unter anderem das Stromnetz der Stadt mit Strom versorgt wird - und damit in der Regel auch alle Haushalte und Industriebetriebe in V. Das Stromnetz gehört der S. Zu den Kunden der S gehört unter anderem die Chemiebetriebe AG (C), die technologisch bedingt große Mengen an Strom von S bezieht. Praktisch 80 % der Grundlast aus dem Kraftwerk der S können jeweils an die C verkauft werden.

Das Unternehmen Energiespar-GmbH (E) bietet den Chemiebetrieben C eine deutlich günstigere Versorgung an als die bestehende Lösung. Dafür müsste lediglich ein neues, eigenes Kraftwerk errichtet werden, für das auf dem Gelände der C jedoch kein Platz vorhanden ist. E plant deshalb die Errichtung des neuen Kraftwerks am anderen Ende der Stadt und nimmt Gespräche mit S auf, um notwendige Vereinbarungen abzuschließen. Neben dem Anschluss des neuen Kraftwerks an das Netz der S soll insbesondere ein Lieferantenrahmenvertrag geschlossen werden, kraft dessen die S für die Durchleitung des Stroms verantwortlich sein soll.

Die S weigert sich jedoch zunächst, später verlangt sie von der E-GmbH die Erfüllung von extrem hohen Anforderungen und Vorlage von zahlreichen Unterlagen (zum Beispiel Nachweis, dass ein Bilanzkreisvertrag abgeschlossen wurde) was die E-GmbH für unangemessen hält.

1. Kann E von S Zugang zum Stromnetz der S verlangen? Welche Voraussetzungen muss E erfüllen, um das Netz der S zu nutzen?
2. Welche Handlung kann E von S genau verlangen?
3. Was ist der E zu raten, wenn sich S dennoch weigert?



B. Lösungshinweise
Nachstehend werden die in einzelnen Fragen angesprochenen Probleme erläutert. Bitte beachten Sie, dass die Lösungshinweise nur teilweise in Gutachtenform vorliegen und an einigen Stellen lediglich Hinweise zur Orientierung bei der Lösungsfindung darstellen.

1. Zu Frage 1
E könnte gem. § 20 Abs. 1 EnWG einen Anspruch auf Zugang zum Stromnetz gegen die S haben. Dazu müsste E den Anspruch sowohl dem Grunde wie auch dem Inhalt nach erworben haben.

E hat den Anspruch dem Grunde nach erworben, wenn er zum Personenkreis der gem. § 20 EnWG Berechtigten gehört, während S aus dieser Norm verpflichtet ist. Ferner muss E auch in ein Bilanzkreissystem einbezogen sein und es dürfen keine Verweigerungsgründe gem. § 20 II EnWG vorliegen.

a. Anspruchsberechtigung
E müsste Berechtigte des Anspruchs auf Netzzugang sein. Berechtigt gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG ist jedermann, also jede natürliche oder juristische Person, die am Netzzugang ein Interesse hat. Dies sind sowohl Letztverbraucher wie Energielieferanten. E müsste also Letztverbraucher i. S. d. § 3 Nr. 25 EnWG oder Lieferant i. S. d. § 2 Nr. 5 StromNZV sein.
Gem. § 2 Nr. 5 StromNZV ist ein Lieferant ein Unternehmen, dessen Geschäftstätigkeit auf den Vertrieb von Elektrizität gerichtet ist. Laut Sachverhalt bietet E der Firma C die Versorgung mit Strom an. E ist demzufolge ein Lieferant und damit Berechtigter i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG.

b. Verpflichteter
Die S müsste Verpflichtete i. S. d. § 20 I EnWG sein. Gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG sind Betreiber von Energieversorgungsnetzen zur Gewährung des Zugangs zu ihren Netzen verpflichtet. S müsste also ein Versorgungsnetz betreiben. Laut Sachverhalt betreibt die S das Stromnetz in der Stadt V
Achtung: dass S hier auch ein Kraftwerk betreibt, ist selbstverständlich irrelevant! Entscheidend ist hier, dass S das Netz betreibt.
, an das die Erzeugungsanlage der E angeschlossen werden soll und zu dem E auch Zugang wünscht. Somit handelt es sich bei S um das i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG verpflichtete Rechtssubjekt.

c. Einbeziehung in ein Bilanzkreissystem
Des Weiteren müsste E gem. § 20 Abs. 1a S. 5 EnWG, § 3 Abs. 2 StromNZV und § 26 StromNZV in einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem eingeordnet ist, einbezogen sein. Im Sachverhalt finden sich dazu keine Angaben. Sofern E in der Lage ist, die Zugehörigkeit zu einem Bilanzkreis nachzuweisen und einen abgeschlossenen Bilanzkreisvertrag (dessen Partei sie ist) vorzulegen, ist diese Voraussetzung erfüllt. Andernfalls besteht der Anspruch auf Netzzugang nicht.

d. Keine Verweigerungsgründe
Dem Anspruch auf Netzzugang dürften weiterhin keine Verweigerungsgründe entgegenstehen. Gem. § 20 Abs. 2 EnWG kann ein Netzbetreiber den Netzzugang verweigern, wenn die Gewährung aus betriebsbedingten oder aus sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Verweigerungsgründe lägen demnach vor, wenn der Netzzugang aufgrund eines Kapazitätsmangels oder aus sonstigen Gründen unmöglich oder unzumutbar wäre.
Zu solchen Gründen gehört jedoch auf keinen Fall die Gefährdung des Absatzes für ein eigenes Kraftwerk, wie dies im Falle der S wäre. Die eventuell betroffene und durch Wettbewerber gefährdete Profitabilität des Kraftwerks der S berührt keineswegs die Zumutbarkeit des Netzzugangs für den Netzbetreiber S. Die Wirtschaftlichkeit von Unternehmensbereichen außerhalb des Netzbetriebes ist bei der Frage der Zumutbarkeit des Netzzugangs nicht relevant. In diesem Fall kann sich die S insofern auf Verweigerungsgründe des § 20 Abs. 2 EnWG nicht berufen.
Da im Sachverhalt dazu im Übrigen keine Indizien für weitere Verweigerungsgründe enthalten sind, ist davon auszugehen, dass auch im Übrigen keine Verweigerungsgründe vorliegen.

e. Zwischenergebnis
E hat den Anspruch auf Zugang zum Stromnetz der S dem Grunde nach erworben, sofern die Einbeziehung in einen Bilanzkreis erfolgt ist.
Da es sich bei E um einen Lieferanten handelt, darf die S als Netzbetreiber den Netzzugang nicht von dem gleichzeitigen Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen E und dem Letztverbraucher (C) abhängig machen, § 24 Abs. 1 S. 2 StromNZV.


Zum Anspruchsinhalt vgl. Ausführungen zu Frage 2.


2. Zu Frage 2
Die Frage 2 bezieht sich auf den genauen Umfang und Inhalt des Anspruchs auf Netzzugang. Es ist insofern zu klären, welche Handlungen E von S verlangen kann.

a. Anspruch auf Abschluss eines Lieferantenrahmenvertrages
§ 20 I EnWG gewährt der E einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages, in dem der E das Recht auf Netznutzung eingeräumt wird. In diesem Fall soll E als Energielieferant agieren, so dass ein Lieferantenrahmenvertrag gem. § 20 Ia 2 EnWG und gem. § 25 StromNZV abzuschließen ist. Dieser Vertrag regelt Einzelheiten der Netznutzung und sichert zugleich die Interessen des Netzbetreibers am Entgelt etc. ab.
Auf der Grundlage und im Rahmen des Lieferantenrahmenvertrages hat S der E die Aufnahme des von E produzierten Stroms und dessen Transport zu leisten.

b. Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen
E kann gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG und § 21 Abs. 1 EnWG nicht nur den Transportdienst selbst, sondern auch richtige Zugangsbedingungen, also Konditionen des Transportdienstes verlangen. Im Einzelnen bedeutet dies, dass der Zugang seitens der S diskriminierungsfrei, angemessen und transparent gewährt wird.
Im Sachverhalt wird erwähnt, dass die S im Ergebnis den Netzzugang gewährt, dafür jedoch extrem hohe Anforderungen und die Vorlage zahlreicher Unterlagen im Gegenzug verlangt. Sofern dabei nicht lediglich die Vorlage des Bilanzkreisvertrages gefordert wird (s. o.), stellt sich die Frage, inwiefern die von S gestellten Zugangsbedingungen den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG und § 21 Abs. 1 EnWG entsprechen.

      • Diskriminierungsfreiheit
Sofern im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung der E in Bezug auf die Zugangsbedingungen zum Stromnetz der S vorliegen, liegt keine Diskriminierung vor. Da S eine im Wettbewerb zum geplanten Kraftwerk der E stehende Anlage betreibt, ist insbesondere das Erfordernis der Gleichstellung des Kraftwerkes der S mit den an das Kraftwerk der E gestellten Anforderungen zu beachten, § 21 Abs. 1 EnWG. Sofern also von E Formalitäten oder Unterlagen bzw. Handlungen verlangt werden, die von dem Kraftwerk der S selbst nicht gefordert wurden, liegt eine Diskriminierung vor.
Im Übrigen kommt es auf die genauen Umstände des Falles an.

      • Transparenz
Die Netzzugangsbedingungen müssen auch transparent sein. Sie sind insbesondere im Internet zu veröffentlichen. Sofern dies erfolgt ist und die Zugangsbedingungen für Außenstehende auch transparent waren, liegt kein Verstoß gegen diese gesetzliche Anforderung vor.

      • Angemessenheit
Zu prüfen bleibt, ob die von S verlangten Zugangsbedingungen auch angemessen sind. Die Zugangsbedingungen sind nicht angemessen, wenn S von der E mehr verlangt, als dies nach sachlich gerechtfertigten Kriterien notwendig ist. Eine nach sachlichen Kriterien gerechtfertigte Behandlung drückt sich insbesondere in einer effizienten und zügigen Vertragsanbahnung sowie einem kostenfreien Lieferantenwechsel aus und muss auch im Übrigen angemessen sein.

Im Sachverhalt sind keine Hinweise darüber enthalten, dass seitens der S die Vertragsanbahnung verzögert oder in anderer Weise gestört worden wäre. Auch werden keine Kosten für den Lieferantenwechsel gefordert. Insofern bleibt lediglich zu prüfen, ob die Bedingungen im Übrigen angemessen sind. Sofern die geforderten Unterlagen und Dokumente über das notwendige Maß hinausgehen, wären die Bedingungen nicht angemessen. Im Übrigen kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Dafür gibt der Sachverhalt keine genauen Anhaltspunkte. Die Vorlage des Bilanzkreisvertrages ist hingegen gesetzlich vorgesehen und damit in jedem Fall angemessen.


3. Zu Frage 3
E kann gegen S den Anspruch auf Netzzugang geltend machen. Gem. § 23 Abs. 1 StromNZV ist die S verpflichtet, innerhalb einer Frist von sieben Arbeitstagen nach Eingang der Anforderung ein vollständiges und bindendes Angebot abzugeben.
Im Übrigen kann E ihren Netzzugangsanspruch sowohl zivilrechtlich, als auch verwaltungsrechtlich durchsetzen.

a. Sofern sich S grundsätzlich weigert, Zugang zu gewähren
Aus Sicht der E liegt in einem solchen Fall ein missbräuchliches Verhalten der S vor (§ 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EnWG). E kann daher die BNetzA kontaktieren. Entscheidet die BNetzA im Sinne der E, kann diese den Netzzugang gem. § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EnWG anordnen. Entscheidet sie gegen ein missbräuchliches Verhalten, kann E Beschwerde beim OLG Düsseldorf einreichen.
E kann auch im Rahmen einer Leistungs-, Feststellungs-, modifizierten Stufenklage oder im Rahmen einer einstweiligen Leistungsverfügung ihr Recht durchsetzen. Die Klage kann dabei gerichtet sein auf:
      • Zugang direkt gem. § 20 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 25 StromNZV
      • Unterlassung/Beseitigung gem. § 32 EnWG
      • Annahmeerklärung gem. § 894 Abs. 1 ZPO

b. Sofern sich S nicht grundsätzlich weigert, aber unangemessene Bedingungen stellt:
Die BNetzA empfiehlt in diesem Fall, die Vertragsbedingungen zunächst unter Vorbehalt anzunehmen, gleichzeitig aber einen Antrag auf ein Missbrauchsverfahren gegen die S zu stellen. Entscheidet die BNetzA im Sinne der E, ändert sie die Vertragsbestimmungen gem. § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 EnWG ab. Entscheidet sie sich gegen E, kann diese wieder Beschwerde beim OLG Düsseldorf einreichen.
Auch in diesem Fall kann E Klage erheben.


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