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Energielieferverträge - zivilrechtliche Regeln

Fallbeispiel zur Kontrolle von Preisanpassungen


A. Fall 1
A zieht in die Stadt Duselhausen um. Er kümmert sich nicht um seinen Stromlieferanten. Kurz nach Umzug erhält er von den Stadtwerken Duselhausen (S) eine Mitteilung, dass er nun in der Grundversorgung von der S mit Strom beliefert wird. A zahlt seine Rechnungen vorerst anstandslos. Erst nachdem er eine Mitteilung bekommt, dass sein bisheriger Abschlag in Höhe von 30 EUR monatlich auf 40 EUR erhöht werden soll, ist er nicht bereit, eine so kräftige Preiserhöhung mitzumachen. Die Erhöhung des Abschlagsbetrages wird damit begründet, dass sich der Strompreis um ca. 30 % geändert hat, wodurch die nächste Jahresrechnung entsprechend höher ausfallen wird. Eine weitergehende Begründung der Preiserhöhung wird nicht genannt.
A hat gehört, dass man zu hohe Preissteigerungen nicht bezahlen muss.
Fragen
1. Kann A Zahlung des höheren Preises verweigern, ohne Sanktionen zu befürchten?
2. Wie sollte er sich verhalten?

B. Fall 2
Wie oben, allerdings überlegt A bereits beim Umzug, von welchem Lieferanten er seinen Strom beziehen sollte. Er stellt fest, dass die Stadtwerke Duselhausen (S) für seinen Haushalt das beste Angebot haben und entscheidet sich für das Produkt "Bestpreis-Single" bei S. Der Vertrag ist unbefristet, kann aber durch jede der Parteien "gemäß den gesetzlichen Fristen" gekündigt werden. Er sieht vor, dass der Strompreis für A durch S angepasst werden kann, wenn:
  • der Stromlieferant der S seine Preise erhöht,
  • die Netzentgelte sich ändern,
  • die Höhe der im Strompreis enthaltenen Steuern sich ändert.
Nach einiger Zeit erhält A eine Mitteilung, dass wegen Erhöhung der Preise beim Stromlieferanten der S der Preis auch gegenüber A um 20 % angepasst werden muss. A ist mit der Anpassung nicht einverstanden und will den höheren Preis nicht zahlen.
Frage
Kann A in diesem Fall Zahlung des höheren Preises verweigern?


C. Lösungshinweise


1. Zu Variante 1
A kann Zahlung verweigern, wenn für die Zahlung des geforderten Entgeltes keine Rechtsgrundlage besteht. Im Hinblick auf die Abschlagszahlung ist zu bemerken, dass diese noch keine Entgeltzahlung als solche bedeutet, sondern lediglich eine Vorauszahlung auf die zu erwartende Jahresrechnung darstellt. Diese Vorauszahlung ist zulässig, muss sich aber auch an der zu erwartenden Jahresrechnung orientieren. War der Abschlag bisher angemessen und die Preiserhöhung verbindlich, dann kann sich daraus auch eine Erhöhung der Abschlagszahlung ergeben.
Sollte die Preiserhöhung aber nicht bindend sein, dann ist es möglich, dass auch die Höhe der Abschlagszahlung ungerechtfertigt ist. Eine definitive Bewertung, in welcher Höhe S von A Zahlung des Entgeltes für gelieferte Energie verlangen kann, ist nur auf der Grundlage der Jahresrechnung möglich.

In jedem Fall ist zu prüfen, ob S berechtigt ist, den angepassten Strompreis zu berechnen. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen A und S ein Energieliefervertrag besteht, dessen Inhalt Lieferung von Strom gegen das (angepasste!) Entgelt ist. Dieser Vertrag muss auch wirksam sein.

a. Vertragsschluss
Ein vertragliches Schuldverhältnis ist konkludent entstanden. Auch wenn sich A nicht um die Energielieferung kümmert, kommt gem. § 2 Abs. 2 StromGVV der Vertrag durch bloße Entnahme von Energie zustande.

b. Vertragsinhalt
Der ursprüngliche Vertragsinhalt bestimmt sich nach den zum Zeitpunkt der Energieentnahme geltenden allgemeinen Bedingungen des Grundversorgers, also der S. Streitig ist in diesem Fall jedoch nicht, ob A den ursprünglich geltenden Preis zu zahlen hat, sondern inwiefern die Preisanpassung durch S gilt.
Die Preisanpassung seitens S, die gem. § 5 Abs. 3 StromGVV zulässig ist, ist allerdings an einige Bedingungen geknüpft und wird nur dann Bestandteil des Vertrages, wenn diese Bedingungen erfüllt sind: vgl. Prüfungsaufbau.

Eine ordnungsgemäße Veröffentlichung der Preisanpassung ist anzunehmen. Auch kann davon ausgegangen werden, dass der Lieferant die entsprechenden Fristen beachtet hat. Im Sachverhalt ist aber von keiner Begründung i. S. d. § 5 Abs. 2 StromGVV die Rede, was problematisch ist.

Fraglich ist hier ferner, ob S im Rahmen seines Ermessensspielraums gehandelt hat. Somit hängt eine Zahlungsverpflichtung des A davon ab, ob die Preisanpassung im Rahmen der Billigkeit erfolgt ist. S kann die Zahlung der Erhöhung (auf der Grundlage der Jahresrechnung - nicht hinsichtlich der Abschläge) verweigern, wenn eine Überprüfung der Preiserhöhung ergibt, dass die Preiserhöhung zu den Kosten der S außer Verhältnis steht. Dies kann sich insbesondere aus ungleicher Behandlung von Kostenerhöhungen und -senkungen ergeben. Es ist aber auch möglich, dass Billigkeit allein dadurch nicht vorliegt, weil der Lieferant im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern überhöhte Margen verlangt.
Letztlich hängt die Bewertung, ob die Preiserhöhung bei S der Billigkeit entspricht, von den genauen Umständen des Einzelfalles ab.

c. Zusatzfrage
A sollte die Zahlung des angepassten Abschlags allerdings nicht gänzlich verweigern. Er kann entweder den Abschlag in alter Höhe zahlen und Klärung der Billigkeit vor Gericht verlangen oder bis zur Klärung Zahlungen unter Vorbehalt leisten.

2. Antwort zu 2:
Der zwischen dem Versorger und A geschlossene Vertrag ist ein Sondervertrag, weshalb die gesetzlichen Regelungen der StromGVV zumindest keine automatische Anwendung finden. Die Bestimmungen, die im Vertrag enthalten sind, müssen den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln entsprechen. Sofern die Preisanpassungsklausel zwischen S und A individuell ausgehandelt wurde (was bei einem Einzelvertrag eines Einzelkunden sehr unwahrscheinlich ist), können die Parteien grundsätzlich vereinbaren, was sie wollen.

Da A aber laut Sachverhalt rein privat und damit als Verbraucher i. S. d. § 13 BGB auftritt und davon auszugehen ist, dass die Preisanpassungsklausel der S für den Vertrag vorformuliert (gem. § 305 Abs. 1 BGB nicht im Einzelnen ausgehandelt) war, ist die Klausel an den §§ 305 ff. BGB zu messen. Sie ist für A nur dann verbindlich, wenn sie (a) richtig in den Vertrag aufgenommen wurde und (b) wirksam gem. §§ 307 - 309 BGB ist.

a. Klausel in Vertrag aufgenommen?
Da A Verbraucher ist, müssen die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB erfüllt sein. Dem A waren die Klauseln wohl bekannt. Im Übrigen fehlen im Sachverhalt Anhaltspunkte dafür, inwiefern dem A Kenntnisnahme aller Klausel möglich war. Sofern ausgegangen werden kann, dass A die AGB ausgehändigt bekam oder in sonstiger Weise zur Kenntnis nehmen konnte, ist von ordnungsgemäßer Einbeziehung der AGB in den Vertrag auszugehen.

b. Klausel wirksam?
A ist Verbraucher, deshalb sind die Klauseln des Vertrages zwischen A und S am Maßstab der §§ 307 - 309 BGB zu messen. Problematisch ist allerdings, inwiefern auch die §§ 308 und 309 BGB anwendbar sind, weil es sich hier um einen Vertrag der (Energie-)Versorgung i. S. d. § 310 Abs. 2 BGB handelt. Die Einschränkung des § 310 Abs. 2 BGB greift jedoch nur dann, wenn sich der Versorger an die StromGVV oder die GasGVV hält, was im vorliegenden Fall nicht festzustellen ist.

Ungeachtet dessen ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 307 BGB gegeben ist. Im Rahmen des § 307 BGB ist zu beachten, dass sich aus der in den AGB verwendeten Klausel keine unangemessene Benachteiligung für den Vertragspartner ergibt. Eine unangemessene Benachteiligung besteht, wenn die Bestimmungen einseitig die Belange des Verwenders auf Kosten des Vertragspartners wahren.

Im Hinblick auf eine Preisanpassungsklausel konkret lässt § 307 BGB nach der Rechtsprechung Preisveränderungsklauseln zu, die eindeutig klarstellen, dass Kostensteigerungen zu Verteuerungen führen können und Entlastungen zu Preisreduzierungen. Dabei muss die Pflicht zur Preissenkung explizit herausgestellt sein. In diesem Fall ist aber nicht geregelt, dass Entlastungen auch zu Preisreduzierungen führen können. Es ist nur geregelt, dass es im Falle von Erhöhungen zu Kostensteigerungen kommt. Des Weiteren wird dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anzuheben. Deshalb ist die Preisanpassungsklausel der S rechtlich fragwürdig.

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmungen nicht klar und verständlich sind (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Mit anderen Worten müssen Preisanpassungsklauseln so beschaffen sein, dass der Vertragspartner den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerung bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung der Erhöhung selbst messen könne (BGH 8.ZV 28.10.2009 VIII ZR 320/07). In diesem Fall liegt dies nicht vor, da aus der Formulierung nicht hervorgeht wie genau die Kostensteigerung zu berechnen ist. Da also keine Begrenzung der Anhebung gegeben ist, liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.

Somit ist die Klausel gem. § 307 BGB insgesamt nicht wirksam.

Ergebnis
Da die Klausel gem. § 307 BGB unwirksam ist, ist die Klausel gem. § 306 BGB nicht bindend, während der Vertrag im Übrigen bestehen bleibt. Aus diesem Grund muss A die Erhöhung nicht zahlen.



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